Die Seelenblindheit : als Herderscheinung und ihre Beziehungen zur homonymen Hemianopsie zur Alexie und Agraphie / von Hermann Wilbrand.

  • Wilbrand, Hermann, 1851-1935.
Date:
1887
    der Kranke frierend da und weiss sich nicht zu helfen, indem er den Gebrauch, welchen er von seinen Kleidungsstücken machen kann, vergessen zu haben scheint. Ebensowenig weiss er mit irgend einem anderen Gegenstande anzufangen, er nimmt, obwohl hungerig, vom Essen nicht Notiz und merkt dessen Bestimmung erst, wenn man begonnen hat ihn zu füttern. Von einem Wiedererkennen von Personen oder Oertlichkeiten ist keine Rede. Doch sieht er und weicht Hindernissen aus, zeigt auch, soweit man sich mit ihm verständigen kann, seine Bereitwilligkeit, Aufträgen nachzu- kommen und das Vorhandensein einer gewissen Intelli- genz. Durch die Sprache kann man sich nicht mit ihm verstän- digen, da er zwar hört, aber nicht versteht; am besten macht man sich verständlich, wenn man die Bewegungen anfängt, die er weiter ausführen soll. In einem solchen (1. c. III, 454) Falle*, der später zur Sektion kam, zeigte sich die Rinde beider Hinterhaupts- und Schläfelappen erfüllt mit kleinen Blutungen, die mit Vorliebe in der Nähe der grossen reihenweise gestellten Ganglienzellen sassen und dieselben verdeckten, sog. Capillarapoplexien. In einer anderen Reihe von Fällen, die dem gewöhnlichen Typus der progressiven Paralyse angehören, tritt der Defekt reiner zu Tage, indem das Verständniss im Bereiche der anderen Sinnesgebiete noch gut erhalten sein kann. Ein Kranker, den Gogol (Ein Beitrag zur Lehre von der Aphasie, Breslau 1873) beschrieben hat, hatte früher ein Trauma erlitten. Bei der Section bot er den Befund von Rinden- erweichungen, die zum Theil in das Gebiet der beiden Hinterhaupts- lappen hineinreichten. Bei Lebzeiten sah dieser Kranke Waschbecken, Zirkel, Streusandbüchse, einen gegenüberstehenden Thurm, wie voll- ständig fremde Dinge an. Bei der progressiven Paralyse treten nicht selten Erscheinungen von Seelenblindheit auf. Die Beobachtungen dieser Fälle sind aber am wenigsten geeignet, uns ein deutliches Bild von der Seelenblind- heit als eine die optischen Erinnerungsfelder alleine befallende Herd- erkrankung zu geben. Wir haben es hier mit einem Krankheitsprocesse zu thun, der ursprünglich disseminirt auftritt und im Laufe der Zeit immer neue Gebiete befällt, so dass schliesslich fast die ganze Gehirnoberfläche von demselben ergriffen sein kann. Bezüglich der Sehsphäre beschränkt sich dabei also die Affection nicht lediglich auf die optischen Erinne-
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