Die Hell-Dunkeladaptation des Auges : und die Stäbchen und Zapfen / von A. Tschermak.
- Tschermak-Seysenegg, Armin von, 1870-1952.
- Date:
- 1902
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Credit: Die Hell-Dunkeladaptation des Auges : und die Stäbchen und Zapfen / von A. Tschermak. Source: Wellcome Collection.
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![Der erste, welcher eine spezielle Theorie über das Sehen des dunkel- adaptierten Auges, und zwar gleich eine detaillierte Hypothese über die Funktion der Anfangsglieder der Sehleitung aufstellte, war bekanntlich M. Schnitze (1866 — 269 u. 270). Derselbe suchte nach der funktionalen Bedeutung der morphologischen Differenzierung des retinalen Neuroepithels und äusserte die Hypothese von der Totalfarbenblindheit der Stäbchen, nach welcher den Zapfenzellen als den höher differenzierten Gebilden neben der schliesslichen Vermitteluug farbloser Empfindungen auch die Vermittelung farbiger Empfindungen, also Licht- u n d Farbensinn zukäme. Als Gründe für diese These konnte M. Schnitze allerdings nur anführen: die Ab- nahme des Farbensinnes und der Sehschärfe im indirekten Sehen als eine gewisse Parallele zur Zunahme der Stäbchen im Verhältnis zu den Zapfen (269, S. 253; doch S. 249: wenige mm von der Mitte der Makula stehen schon 2—3 Stäbchen zwischen zwei Zapfen, ein Verhältnis, welches dann bis zur Ora serrata konstant bleibt), ferner den Zapfenmangel bei gewissen im Dunkeln lebenden Tieren (Fledermaus, Igel, Maul- wurf, Maus; ebenso die Petromyzonten und Plagiostomen, unter den Knochen- fischen der Aal [270, S. 238]; Eule mit enormer Stäbchenüberzahl im Gegen- satz zu den anderen Vögeln; beim Kaninchen nur Zapfenrudimente, bei der Katze 6—9 Stäbchen zwischen 2 Zapfen [269, S. 250]), endlich den Stäbchen- m an gel bei den im Sonnenlichte lebenden Eidechsen und Schlangen (269, S. 252). Den Dunkeltieren wird dabei in Analogie zum Sehen des dunkeladaptierten Menschenauges nur farblose Helligkeitsempfin- dung zugeschrieben. Der Anführung der gelben (als Violettvermittler) und der roten (als Grünvermittler) Olkugeln in den Zapfen der Vögel, sowie der anscheinenden Fibrillarstruktur (,,Zusammensetzung; 269, S. 254, 255) der relativ dicken Zapfenfasern kann wohl keine Beweiskraft beigemessen werden. — Über die Natur der farblosen Erregung in den Stäbchen wie in den Zapfen enthielt sich M. Schnitze jedweder Vermutung. Die Young-Helmholtzsche Annahme von drei Faserarten erwähnt er nur beiläufig (269, S. 254, 258) als „Substrat des Farbensinnes und bezeichnet es als wahrscheinlich, dass jeder Zapfen sehr verschiedene Farbenempfindungen zu vermitteln vermag. — Diese Theorie M. Schultzes erhielt sich dauernd bekannt. Auf ihre Erörterung und Ergänzung durch Kühne und Haab sowie durch Preyer wird gleich einzugehen sein. Zuvor aber sei daran erinnert, dass die Young-Maxwell-Helm- holtzsche Dreifarbenlehre in ihrer Wesenheit eine psychologisch- physiologische Transscription der Regeln darstellte, welche sich seit Newton für die Lichtermischung ergeben hatten. Es war ein m. E. trügerischer Analogieschluss von der Addition der physikalischen Reize auf eine Zusammensetzung der physiologischen Reaktion, des psychischen Endeffektes — speziell der Weissempfindung. Dieselbe unheilvolle Ver-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21641419_0180.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)