Die Diphtherietoxin-Hautreaktion des Menschen als Vorprobe der prophylaktischen Diphtherieheilseruminjektion.
- Béla Schick
- Date:
- 1913
Licence: Public Domain Mark
Credit: Die Diphtherietoxin-Hautreaktion des Menschen als Vorprobe der prophylaktischen Diphtherieheilseruminjektion. Source: Wellcome Collection.
Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.
33/92 (page 2615)
![bilden. So muss z. B. eine exklusive Mehlnahrung bei schweren Infektionen, wie beim Typhus, als gefahr- drohend angesehen werden. Infolge einer einseitigen Mehl- nahrung bei langwierigen Infektionen kommt es nicht nur zur Anorexie, Magendarmsymptomen, Herzschwäche, sondern ab und zu zur Nervendegeneration, welche Symptome in diesen Fällen wahrscheinlich als Beriberi und nicht als Folge der Infektion anzusehen sind. Hier, bei schweren Infektionen, muss — neben den Mehlabkochungen — Milch, Gemüsesuppen, Obstsuppen, Fruchtsaft, Fleischsaft, Fleischbrühe dargereicht werden, wobei die Wahl, Menge und Form dieser Nahrung vom Zustande des Magendarmkanals in erster Linie abhängen wird. Dasselbe gilt von postoperativen Zuständen, wobei noch mehr Abwechslung des Speisezettels uns zu Gebote steht. In allen diesen Fällen muss, sobald es möglich wird, zur leichten, gemischten, vitaminreichen Kost übergegangen werden. Wir wollen an dieser Stelle aufdenAppetitmangel aufmerksam machen, welcher als Frühsymptom bei vitamin- armer Nahrung erscheint und sämtlichen Avitaminosen ge- mein ist. Appetitmangel und Widerwillen gegen Nahrung — wurde hundertfach bei den experimentellen Avitaminosen beobachtet und darf als eine der ersten Manifestationen des Vitaminhungers angesehen werden. In der Praxis muss stets damit gerechnet werden, und bei Anorexie, besonders bei Kindern, chlorotischen Mädchen, bei Schwan- geren und Stillenden, bei Rekonvaleszenten nach ernsten Krankheiten jeglicher Art muss unverzüglich die Diät in der angegebenen Richtung geprüft und für stete Ab- wechslung und Vitaminreichtum der Nahrung gesorgt werden. In allen diesen Fällen ist eine leichte, abwechslungsreiche, gemischte Diät mit frischem Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Milch, Butter angezeigt. Ebensowenig ist es bekannt, dass der Organismus auf eine vitaminarme einförmige Nahrung mit g a s t r o i n t e - stinalen Störungen, Uebelkeit, Erbrechen, Diarrhöe, Meteorismus antwortet. Oft führen diese Symptome fataler Weise zur weiteren Einschränkung der Diät, besonders bei Kindern, und somit zu den schwersten Symptomen des Vitaminhungers. Auch bei rein nervösen Dyspepsien wird mit- unter — namentlich bei Selbstbehandlung — eine vitaminarme, einförmige Nahrung (Mehle) gewählt, die schliesslich zum vollständigen Appetitverlust, Erschöpfung, und in manchen Fällen zum Tode führen kann. Bei chronischen Nähr schaden künstlich er- nährter Säuglinge (Mehlnährschäden), bei Rachitis und infantilem Skorbut hat sich bereits die Vitamin- therapie vorzüglich bewährt und manches Leben gerettet. Bei den genannten Krankheiten sind in erster Linie: durch- geseihte Gemüsesuppen, Kartoffelpüree, Fruchtsaft aus fri- schem Obst, ferner frischer Fleischsaft, Fleischbrühe, Leber- tran angezeigt. Beim Säugling, besonders in den ersten Lebensmonaten und -wochen, ist gute Brustmilch das unüber- treffliche Heilmittel. III. Die Vitamine sind ausserordentlich in der Pflanzen- und Tierwelt verbreitet, doch mit bedeutenden quantitativen und qualitativen Unterschieden. So sind grüne, frische, keimende Pflanzen, saftiges Obst, frische Gemüse, Kartoffel reich an Skorbutvitamin, im Gegensatz zum trockenen Getreidekorn, welches nur das Beriberivitamin enthält. Kommt aber das trockene Getreide zum Keimen, so erscheint auch darin das Skorbutvitamin. Ueberall, wo starkes Wachstum angeregt wird, sind Vitamine reichlich vorhanden, so z. B. in der Hefe, welche zu den vitaminreichsten Rohstoffen gehört. Im Ge- treidekorn selbst sind Vitamine nicht gleichmässig verteilt, sie befinden sich meist an der Oberfläche des Korns, unter der Haut, in der Aleuronschicht. Wird die periphere Schicht des Korns entfernt, weggeschliffen, so werden auch die Vitamine mitentfernt. So ist der polierte (weisse) Reis, das weisse Weizenmehl gänzlich der Vitamine beraubt und als Haupt- nahrung gefährlich, während Brot und Kleie (ganzes Brot) als vitaminhaltig, entschieden vorzuziehen ist. Beim Trocknen verlieren die saftigen Vegetabilien. Obst und Gemüse, ihre Vitamine gänzlich. Man kann im allgemeinen sagen, dass die Beriberisubstanz sich im ruhenden Zustande in fett- und proteinreichen, trockenen Vegetabilien vorfindet, wo die enzymatischen Pro- zesse auf ein Minimum reduziert sind. Die antiskorbutische Substanz befindet sich dagegen in stark wasserhaltigen, fett- und proteinarmen Vegetabilien und wird beim Eintrocknen zersetzt. Das Beriberivitamin erwies sich als viel stabiler. Was den Einfluss des Erhitzens auf Vitamine betrifft, kann im allgemeinen folgendes gesagt werden. Ein kurzes Aufkochen ist in der Regel unschädlich. Ein halbstündliches Kochen resp. Sterilisieren bei 100° C kann schon das Skorbut- vitamin zerstören (z. B. in der Milch), ist jedoch für das Beri- berivitamin unschädlich. Beim längeren Erhitzen oberhalb 100° C (unter Druck) werden sämtliche Vitamine gänzlich zerstört. In der Tierwelt ist rohe Milch, das Eigelb reich an Vita- minen; diese Stoffe müssen den grossen Bedarf an Vitaminen bei jungen wachsenden Organismen decken; ferner befinden sich diese Substanzen im Fleisch, besonders reichlich im Herzmuskel, im Gehirn und wahrscheinlich in den meisten Tiergeweben. IV. Ausserordentlich wichtig sind die Verluste an Vitaminen, welche alle die genannten Stoffe infolge der Zubereitung er- leiden. Durch einfaches Auskochen mit Wasser wird der Vitaminvorrat grösstenteils entfernt, falls die Brühe weg- gegossen wird [Schüffner und K o e n e n 3)]. Es soll an dieser Stelle auf die grosse Bedeutung der Suppenform für die Volksnahrung hingewiesen werden. Diese Form der Nahrung ist bei der Landbevölkerung sehr beliebt, und mit Recht; dies bezieht sich besonders auf die Kartoffelsuppe, die typische Nahrung Nord-, Mittel- und Osteuropas. Durch langes Kochen der Milch, Sterilisieren, Konden- sieren u. ähnl. werden die Milchvitamine teilweise oder gänz- lich zerstört. Die Kuhmilch darf nur kurz aufgekocht werden, womöglich sofort nach dem Abmelken, dann abgekühlt und kühl aufbewahrt. Wiederholtes Kochen hat sich als sehr schädlich erwiesen. Sterlisicrte Milch und Milchpräparate sind für Säuglingsernährung ungeeignet und können beim längeren Gebrauch Skorbut erzeugen. An vielen Orten, besonders in Kasernen, Asylen, Kranken- häusern etc. werden die Speisen unter Druck, d. i. bei Tem- peraturen oberhalb 100 ° C längere Zeit gekocht. Bei dieser Behandlung wird die Nahrung nicht selten ihrer Vitamine beraubt und kann, beim ausschliesslichen Gebrauch, zum Ausbruch einer Avitaminose führen. Zusammenfassend können wir sagen, dass Verluste an Vitaminen in der Nahrung verursacht werden: 1. durch mechanische Entfernung der peripheren Schichten der Getreidesamen (besonders wichtig für den Reis, Mais, Weizen, Roggen), 2. durch übermässiges Erhitzen (besonders wichtig für die Milch), 3. durch Auslaugen beim Kochen, •4. durch Austrocknen (unter anderem wichtig für das Viehfutter). Ausserdem muss erinnert werden, dass durch unzweck- mässige Bearbeitung der Nahrungsmittel nicht nur Vitamine, sondern auch andere wertvolle Bestandteile miteutiernt werden. V. Folgende Tabelle zeigt die Unterschiede im Vitamingehalt unserer Nahrung und mancher Heilmittel. Diese Resultate wurden an beriberikranken Tauben erhalten, wobei mit vita- minreichen Stoffen Besserung oder Heilung erzielt wurde. Die in folgender Tabelle als vitaminarm bezeichneten Nah- rungsstoffe sind sämtlich in massigen Mengen und neben vitaminreichen Nahrungsmitteln genossen. Die Gefahr einer Avitaminose entsteht erst dann, wenn diese Stoffe als Haupt- ■1) Und nicht nur Vitamine. Poppe hat z. B. gezeigt, dass beim Kochen der Erbsen, der Maiskörner, 36 Proz. der Nährstoffe in die Brühe übergehen.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21004985_0033.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)