Die Staatsheilkunde im Lichte der Geschichte : ...neue Ausgabe des Schlusstheils [i.e. des 6ten buchs] seiner Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften / vom Gehermerath, Ritter und Professor Dr Emil Isensee.
- Isensee, Emil, 1807-1845
- Date:
- 1862
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Credit: Die Staatsheilkunde im Lichte der Geschichte : ...neue Ausgabe des Schlusstheils [i.e. des 6ten buchs] seiner Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften / vom Gehermerath, Ritter und Professor Dr Emil Isensee. Source: Wellcome Collection.
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![oraculis berichtet. Das war die Rolle, welche man die unglück- seligen Opfer der Dummheit wie der menschlichen Schwäche lange Zeit in den Tempeln des Alterthums hat spielen lassen! Die, nach der Mythologie der Alten, von Gottheiten und Dämo- nen erfüllte und über die Zukunft unablässig befragte Natur gab ihre Antwort durch den Mund solcher Geisteskranker bis zu jenem Zeitpunkt, in welchem, nach dem schönen Ausdrucke F o n t e n e 11 e’s das Christenthum die Welt erleuchtete und die Orakel auf der gan- zen Erde verstummen hiess [s. Fontenelle, Geschichte der Ora- kel. Paris, 1687]. Das, was wir von den Geisteskranken im al- ten Griechenland, aus dem vorphilosophischen Zeitalter gesagt haben, das gilt von allen alten Völkern. Bei den Aegyptern und den übrigen Nationen des Orients, in Rom lange vor der Eroberung Grie- chenlands, bei den Galliern und übrigen Völkern des nördlichen Europas, endlich in Amerika, bei allen im Zustande der Kindheit befindlichen noch uncultivirten Völkern, sehen wir bei dem ersten Be- ginn eines Culturzustandes und gesellschaftlichen Lebens die Medi- an den Priestern anheim gefallen und die Geisteskranken, als den Göttern befreundete Wesen, Orakelsprüche ertheilen; oder wie sie als Opfer des himmlischen Zorns betrachtet werden, und in Folge dessen den Büssungen, dem Fegefeuer und den Exorcismen oder Beschwörungsformeln der Diener der Altäre unterworfen sind. Aber dieser Zustand der Dinge sollte endlich für Griechenland sein Ende finden, als eine glückliche Umwälzung den menschlichen Geist aus dem priesterlichen Joche zu erlösen begann. Ausserhalb des medicinischen Priesterthums Griechenlands gin- gen nemlich, gegen die 50. Olympiade, grosse Veränderungen vor. In der That, Dank dem Genie der ersten Philosophen: endlich sollte die Wissenschaft an’s Licht treten. Mit Zurückweisung theologischer Erklärungen gingen diese Urheber der irdischen Wissenschaft ohne Scheu an die Untersu- chung und Erforschung der natürlichen Ursachen der Erscheinungen; und indem sie unermüdlich an den Stufen des Tempels sich hiel- ten, gelang es ihnen, trotz der geheiligten Mysterien, mit welcher sie die Priester zu verschleiern suchten, einige derselben zu er- gründen. ln den darauf folgenden Beobachtungen machten sie die Natur zu ihrem Studium. So wie sie die übrigen Krankheiten gewis- sen organischen Zuständen zugeschrieben hatten, verfuhren sie nun auch mit den Geisteskrankheiten. Bereits Philolaus, aus der Schule des Pythagoras, fand, wie seine Abhandlung mqi (fvcfscog lehrt, den Sitz des Geistes ausschliesslich im Gehirn, den des Gemiiths ausschliesslich im Herzen. Man leitet also irrig die erstere Ansicht vom berühmten Reimarus, die letztere von dem sonst so hochverdienten Nasse her. Boecklin „Lineamenta psy- chologiae Pythagoricae“, Lund 1830 und Grupp e’s Preisschrift ,,iiber die Fragmente des Archytas u. a. Pythagoraera, Berlin 1840 könnten dergl. mehr lehren.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b24757329_0141.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)