Die Staatsheilkunde im Lichte der Geschichte : ...neue Ausgabe des Schlusstheils [i.e. des 6ten buchs] seiner Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften / vom Gehermerath, Ritter und Professor Dr Emil Isensee.
- Isensee, Emil, 1807-1845
- Date:
- 1862
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Credit: Die Staatsheilkunde im Lichte der Geschichte : ...neue Ausgabe des Schlusstheils [i.e. des 6ten buchs] seiner Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften / vom Gehermerath, Ritter und Professor Dr Emil Isensee. Source: Wellcome Collection.
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![gesteigert durch die Exaltation der ersten Neophyten. Die Lehre des Evangeliums von der Busse, der Kampf der Leidenschaft mit der Pflicht, des Fleisches mit dem Geiste, welcher durch eine Art Streit zwischen dem guten und bösen Princip personifizirt wird, giebt hie und da zu einem religiösen Rigorismus Veranlassung, dessen strenger Cultus damals grade bis zum Aeussersten getrieben wurde. Das Fasten, die Kasteiung, die Entbehrungen aller Art, waren Mittel, mit welchen man die Gnade Gottes zu erlangen, und die fleischlichen Begierden zu unterdrücken hoffte, welche nichts desto- weniger durch die Arglist des Teufels [!?] in dem, durch Entbehrung und Enthaltsamkeit noch reizbarer gewordenen, körperlichen Orga- nismus erweckt wurden. Ein Blick auf das Leben einiger von der Kirche zu hoher Stellung erhobenen Auserwählten reicht hin, den doppelten Einfluss der allgemeinen Meinung und der den Gesetzen unserer organischen Natur angethanen Gewalt auf die Entstehung und Gestaltung der Illusionen zu erkennen. An dem Leben jenes frommen Einsiedlers, des heiligen Antonius, welcher 105 Jahre alt wurde, und mehr als 80 Jahre in der Wüste zubrachte, haben wir ein auffallendes Beispiel des Einflusses, den die soeben angegebenen Ursachen und Umstände in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung auf die Einbildungskraft ausgeübt haben. Archambault, dem wir hier so viel verdanken, hat jene Ge- schichte vom heiligen Antonius in seiner Uebersetzung der Abhand- lung über die Gemüthskrankheiten, aus dem Englischen des Ellis, S. 78 et seq. ausführlich mifgetheilt. Es wäre überflüssig, hierzu noch eine Bemerkung zu machen. Denn wer sollte darin nicht die Illusionen einer exaltirten Einbil- dungskraft erblicken, welche sich eine Menge Vorstellungen schaffte, die alle Thätigkeit des Geistes einzig und allein auf das Gebet hin- richteten und darin concentrirten? Alle Gedanken, alle Leidenschaf- ten, alle Gefühle, bis auf die physischen Bedürfnisse, welche die Meditationen des frommen Einsiedlers unterbrechen, sind eben so viele vom Teufel in Person aufgestellte Fallstricke. Antonius sieht, hört ihn, spricht mit ihm und verscheucht ihn durch das Ge- bet; er selbst wird geschlagen und verwundet durch den Engel der FinsternissJ alle Umgebungen des armen Einsiedlers erschienen ihm als eben so viele Teufel, die gekommen sind, ihn zu peinigen. Aber alles, was da vorgekommen ist, alle diese Blendwerke und Illusionen, denen die Seele unterworfen war, haben wir Gelegenheit genug, noch in unseren, wie es scheint, an übermässiger Aufklärung leidenden Zeiten zu beobachten, an Kranken, welche übernatürliche Wesen und abwesende Personen sehen, hören, mit ihnen sprechen; sowie an Anderen, welche sich beklagen, in der Nacht von Geistern und von Feinden geneckt worden zu sein, und des Morgens darauf die ver- meintlich beigebrachten Wunden zeigen. Ellis erwähnt Kranker, Isensee, Gesch. d. Med. 11.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b24757329_0153.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)