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Credit: Leitfaden der Psychiatrie : für Studirende der Medicin / von E. Mendel. Source: Wellcome Collection.
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![Die Gemüthsstimmung ist entsprechend den Hallucinationen und Wahn- , Vorstellungen ängstlich, furchtsam, misstrauisch. Manche Deliranten zeigen -sich jedoch heiter, eine Heiterkeit, welche Kräpelin treffend mit dem '■Namen Galgenhumor bezeichnet hat. Die Handlungen resultiren aus Sinnestäuschungen und Wahnvorstel- lungen. Sie werden öfter gewaltsam als Abwehr gegen die Feinde und führen in Folge von Hallucinationen auch nicht selten zu Selbstbeschädigungen. Der Kranke geht aus dem Fenster, das er für eine Thür hält, er springt über eine Brücke, weil er das Geländer für eine Person hält, die ihn am Weitergehen verhindern will. Die Sprache ist schwer, oft bradyphratisch, zuweilen ataktisch, nur ganz ausnahmsweise kommt ein dem Silbenstolpern der Paral}d;iker ähnlicher Zustand vor. Der Selbstmord tritt in etwa 5 bis 110°/o der Fälle auf. KörperKche Symptome. Das Zittern erstreckt sich nicht bloss auf die Finger, sondern breitet ?sich über den ganzen Körj>er, speciell auch auf die Zunge, die Augenlider, . die Augenmuskeln u. s. w. aus. Das Zittern ist ein schnellschlägiges, 8- bis ! 10 mal in der Sekunde. Paresen und Paralysen entwickeln sich in der Regel nur da, wo eine 'Neuritis durch den Alkoholismus hervorgerufen wurde. Die sensiblen Nerven zeigen im Beginn der Erkrankung Hyperästhesieen und Parästhesieen, später Hypästhesieen, in der grossen Mehrzahl der Fälle Analgesie 9- Die Sehnenreüexe sind in frischen Fällen stark, schwächen sich im Verlauf häufig ab und können bei ausgesprochner Neuritis völlig fehlen. Die Hautreflexe sind meist nicht verändert, Trägheit der Puj)il]enreaction ist häufig, reflectorische Pupillenstarre dagegen ungemein selten. Epileptische Krämpfe, welche bei dem Delirium tremens verkommen, j können einer bereits vorher vorhanden gewesenen Epilepsie angehören (Alkoholismus findet sich häufig bei Epileptikern), zuweilen beginnt das Delirium tremens mit einem epileptischen Anfall, verdankt dem letzteren den Ausbruch oder der ei^ileptische Anfall ist die erste Erscheinung der i alkoholistischen Gehirnaffection. Endlich können epileptische Anfälle das ’ tödtliche Ende bezeichnen. Das Blut zeigt (bei Aderlässen schon erkennbar) einen erhöhten Fett- I gehalt (Piarrhämie). Der Fettgehalt des Blutes, welcher normal 2—2V*7<> beträgt, kann auf 4—ll°/o steigen. Der Puls ist klein, häufig, die febrile Form des Delirium tremens zeigt schon im Beginn 130—160 Pulsschläge in der Minute. Die Körpertemperatur bietet unter gewöhnlichen Verhält- nissen keine wesentlichen Abweichungen. Fällt sie unter 36 ”, so ist Collaps zu befürchten, und erhöht sie sich über 38”, so ist auf eine Complication mit anderen Erkrankungen (Pneumonie u. s. w.) zu rechnen. Der Urin ent- ! hält oft Eiweiss (Liepmann fand dasselbe in 76”/o aller Fälle, Hertz ' will constant eine acute Nephritis gefunden haben und betrachtet diese als das primäre Leiden). Die Schweissbildung ist in der Regel gesteigert. Neben diesen Erscheinungen sind in der grossen Mehrzahl der Fälle die gewöhnlichen körperlichen Symptome des chronischen Alkoholismus nach- zuweisen, wie Atherose des Aortensystems und Degeneration des Herz- muskels, Fettleber und Lebercirrhose, chronische Nierenkrankheit. Das Delirium tremens befällt vorzugsweise Männer im Alter von 35—45 Jahren, kommt aber auch bei Kindern und bei Greisen vor. Frauen werden selten davon befallen; die Mortalitätsliste zeigt, dass auf 10 Todes- fälle an Säuferwahnsinn bei Männern 1 solcher bei einer Frau kommt. 9 Schulz, Neuritis der Alkoholisten. Neurol. Centralbl. 1885.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b2192613x_0209.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)