Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medicin / von Rudolf Virchow.

  • Rudolf Virchow
Date:
1862
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Credit: Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medicin / von Rudolf Virchow. Source: Wellcome Collection.

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    Sonmambulismus für einen bewusstlosen Zustand, und doch war man genöthigt, eine gewisse Fähigkeit des Denkens und Empfindens für denselben zuzulassen, da sonst die oft so planmässig eingerichteten Handlungen der Somnambulen sich gar nicht erklären Hessen. Allein Lotze (Allg. Pathol. u. Therapie als mechanische Natiu-wissenschaften, 1842. S. 324) hat schon hervorgehoben, dass „der Somnam- bulist seine Handlungen mit dem Bewusstsein derselben, aber nicht mit dem lic- wusstsein ihres Verhältnisses zur wirklichen wachenden Ordnung der Dinge voll- bringt, und dass wahrscheinlich „nur das Selbstbewusstsein, welches dem Men- schen seine Stellung in der Welt und dem Leben anweist, zugleich mit der Function des Organs, welches der Erinnerung dient, aufgehoben ist. Vielleicht ist es nicht einmal nöthig, so weit zu geben. Wesentlich handelt es sich bei dem Somnam- bidismus nur um zwei Erscheinungen: einmal um den Mangel an Aufmerksamkeit auf alle diejenigen Empfindungen, welche nicht dem herrschenden Gedankenkreise angehören, und das andere Mal um den Mangel au bleibender Erinnerung für die während des Anfalles vorgenommenen Handlungen. Beides schliesst nicht aus, dass während des Anfalles noch bewusstes Empfinden geivisser sinnlicher Eindrücke und bewusstes Denken in gewissen Richtungen stattfindet; im Gegentbeil sehen wir schon im gewöhnlichen Leben, dass Menschen, die in einer sehr atfgestrengten, auf einen bestimmten Punkt gerichteten körperlichen oder geistigen Thätigkeit begriffen sind, sowie in noch höherem Grade solche, die sich in ekstatischen Zuständen be- finden, für heterogene Sinneseindrücke unempfänglich werden oder die Empfindung wenigstens so sehr abschwächen (hemmen), dass Eindrücke der Art nur für einen Augenblick in das Bewusstsein eintreten und dann sofort spurlos verloren gehen. Macdougall (Monthly Journ. 1854. Mai, p. 479) sucht durch diese Erfahrung das sonderbare Phänomen der Katalepsie zu erklären, indem er dabei eine eigenthüm- liche Zerstreuung des Geistes auffindet, und Ludw. 3Ieyer (Annalen des Charite- Krankenhauses. Bd. V. Hft. 3. S. 78), der mit vielem Geschick die Katalepsie als eine Form der Melancholia attonita darstellt, sucht den Grund dieser Zerstreuung in dem Gefühle eines unendlichen. Alles absorbirenden Schmerzes, in welchem sich die ganze Aufmerksamkeit der Seele concentrire. Wenn diess der Fall ist, so könnte es gar nicht zweifelhaft sein, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, be- stimmte Sinneseindrücke zum Bewusstsein gelangen zu lassen und andere davon auszuschliessen, selbst wenn sie wirklich die Centraiorgane des Empfindens erregen, wie wir aus dem nachträglichen Zustandekommen bewusster Erinnerung {Nach- empfindung) erkennen können. Auch das würde eine Verschiedenheit von Empfin- dung und Bewusstsein zeigen. Indess ist dieser Schluss nicht zweifellos. Der Zustand des Bewusstseins ist ein wechselnder: je nach der grösseren oder geringeren Disposition {Stimmung) un- serer Organe, je nach der stärkeren oder geringeren Energie der Sinneseindrücke ist auch das Bewusstsein bald klarer, bald weniger klar und es findet sich eine Reihe unmerklicher Uebergänge von den Zuständen der blossen Unklarheit bis zur vollständigen Bewusstlosigkeit. Ganz parallel damit gehen die Zustände des Empfin- dens und Denkens, und jene scheinbar vom Bewusstsein ausgeschlossenen Empfin- dungen aufgeregter, ekstatischer oder geradezu kranker Menschen lassen sich bei genauerer Betrachtung gewöhnlich auf relativ zu schwache Sinneseindrücke bei dauerhafter oder vorübergehender Verstimmung der Organe, d. Ii. bei überhaupt oder theilweise unklarem Bewusstsein zurückführen. Hieraus könnte man allerdings eine nothwendige und constante Verbindung des Bewusstseins mit dem Empfinden und Denken folgern. Allein in diesem Falle wäre zu untersuchen, tvarum die Aufmerksamkeit sich immer nur einem oder einigen zusammengehörigen Gegenständen zuwenden könne und für alle übrigen Vorgänge des Denkens und Empfindens ein Zustand der Zcr-