Naturgeschichte der seele und ihres bewusstwerdens : mnemistische biopsychologie / von dr. Eugen Bleuler.

  • Eugen Bleuler
Date:
1932
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Credit: Naturgeschichte der seele und ihres bewusstwerdens : mnemistische biopsychologie / von dr. Eugen Bleuler. Source: Wellcome Collection.

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    allen guten Werken die Selbstkasteiung am höchsten, wenn man maso¬ chistische und sadistische Anlagen hat. haue Art. die keinen Selbster¬ haltungstrieb mehr hat. geht zugrunde: was besteht, hat als (tan/.es ge¬ nommen I.ebenst rieb und damit I.ebenstreude: wenn man auch unter Umständen gegen seinen Willen leben muß. und Geschöpfe denkbar sind, die nur leidem, aber doch noch genug Instinkte haben, sieh nur mit der Abwehr des Unangenehmsten zu erhalten. Menschen ohne Lebensfreude würden bald aussterben und das Feld denen lassen, die (auch) positive (Jefühle haben. Daß auch unsere vorausdenkende Menschenspeeies fröhlich leben kann ohne die Aussicht auf ewige Belohnung, das zeigen, wenn cs noch nötig ist. die viel gerühmten (Liechen, die- zwar an ein Fortleben geglaubt, aber es zu einem höchst traurigen gestaltet hatten. Nicht ver¬ gleichen wollen wir die Primitiven, die sich zwar durch Zauberglaubon bös schikanieren lassen, aber im übrigen fröhlich dahinleben, obschon sie sieh (trotz aller Begräbnisfeierlichkeiten für ihre droben) herzlich wenig um die Fortexistenz kümmern. I )io Frage, ob es sieh lohnt zu leben, hat übrigens nur dann einen Sinn, wenn man bereit wäre, aus einer verneinenden Antwort die Kon¬ sequenz zu ziehen: Solange man dieser ausweicht, wertet man immer den Tod (oder das Sterben) schlechter als das Leben. Im übrigen hat man uns vor der Geburt nicht gefragt, ob wir das Leben oder die Nicht¬ existenz vorziehen. Aber jetzt ist man da, „zu leiden, zu weinen und zu freun sieh”, — wenn man gesund ist. überwiegt auch beim Kulturmenschen noch das Positive. Und wer eine Ethik im Leibe hat, der sucht und findet seine Befriedigung darin, aus sich etwas Rechtes zu machen und anderen etwas Tüchtiges zu leisten. Der Lebensgenuß hängt nicht von den Anschauungen ab. sondern (soweit das Individuum selbst direkt dabei beteiligt ist) nur von der physisch bedingten Stimmungslage. Dem Melancholiker hilft weder Philosophie noch der festeste Glauben an die Güte eines persönlichen Gottes: wenn hier überhaupt ein Unterschied besteht, so ist er gewiß nicht zugunsten des Gläubigen, dem, solange die Melancholie besteht, keine Macht der Welt die Überzeugung nehmen kann, daß gerade er die Gnade definitiv verscherzt habe. Zum Glück trägt ferner bei das Ausleben irgendeines vernünftigen Triebes: die modernen Dichter stellen fast nur den erotischen dar und gerade da muß man dem Begriff des ,.Auslebens” den allerbeschränktesten Sinn geben, wenn nicht für die meisten das Gegenteil von dem Gewünschten herauskommen soll. Es gibt aber auch noch das Sorgen für die Familie, für jemanden überhaupt, Betätigung in irgendwelchen guten oder schönen oder nützlichen W erken usw. usw. Man darf aber auch nicht weinen, daß die jetzige Zeit der schwindel¬ erregenden Ausbildung der realistischen Kenntnisse und des realistischen Denkens das affektiv der eistische Denken und das entsprechende Kühlen entbehren könne. Wenn wir uns so weit entwickelt haben, daß wir nur noch realistisch denken, dann wären wir keine Menschen mehr, sondern eine neue Species. Der bloße Verstand, auch unterstützt von der besten Gesinnung und dem eifrigsten Streben, sich für das W'oh I seiner Mitmenschen einzusetzen, ist nicht ganz genügend, um die Leistungsfähigkeit in dieser Beziehung auf dem Maximum zu halten. Schon gegenüber sich selber ist es ein Vorteil, wenn man seine eigenem Fehler nicht allzu schwer an-