Über Psychologie der individuellen Differenzen : Ideen zu einer "Differentiellen Psychologie" / von L. William Stern.
- William Stern
- Date:
- 1900
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Credit: Über Psychologie der individuellen Differenzen : Ideen zu einer "Differentiellen Psychologie" / von L. William Stern. Source: Wellcome Collection.
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![artigen Ablaufsformen im Verbrauch dürften auch bestimmte Ab- laufsformen im Ersatz entsprechen. Die erholende Wirkung des Schlafes scheint nun in einer gewissen Proportionalität zu der Schlaftiefe zu stehen, d. h. zu jener Eigenschaft, die gleichsam die Entfernung vom Zustande des Wachseins ausdrückt. Es kann somit die Kurve der Schlaftiefe als die des nächtlichen Energie- ersatzes angesehen und daher als Gegenbild der Energiekurve des Tages betrachtet werden. Untersuchungen über die Schwankungen der Schlaftiefe im Laufe der Nacht hat neuerdings Michelson auf Veranlassung Kraepelins angestellt.1) Als Maass diente die Stärke des Schall- reizes, der nötig war, um Erwachen zu bewirken. Die an vier Personen während zahlreicher Nächte durchgeführten Experimente .ergaben schliesslich Kurven, welche den Gang der Schlaffestigkeit von Viertelstunde zu Viertelstunde enthielten. Sie lassen wieder sehr bedeutsame individuelle Verschiedenheiten hervortreten. Zwei Personen zeigen gleich nach dem Einschlummern ein starkes Anwachsen der Schlaftiefe, die gegen Ende der ersten Stunde ein hohes Maximum erreicht; im Verlauf der zweiten Stunde fällt die Kurve wieder steil ab, um sich dann allmählich — in mehr oder minder beträchtlichen Wellen—bis zum Nullpunkt des Erwachens zu senken. Ein anderer Prüfling zeigte das Maximum erst gegen Ende der zweiten Stunde, ein vierter gar erst gegen Schluss der -dritten. Bei III und IV ist der Stärkegrad dieser maximalen Schlaffestigkeit durchaus nicht mit dem von I und II zu messen; der dem Maximum folgende Abfall ist bei III und IV viel weniger steil, daher der Schlaf in den letzten Stunden tiefer; was bei I und II durch grössere Intensität erreicht wird, scheint hier also durch grössere Extensität wett gemacht zu werden. Michelson konstatiert nun in der That einen gewissen Zu- sammenhang zwischen diesen differentiellen Schlafkurven der Personen und ihrer Tagesenergetik. Es zeigt sich nämlich, dass I und II „Morgenarbeiter“, III und IV „Abendarbeiter“ sind. Bei den ersteren entspricht also die intensive Abendmüdigkeit dem sofortigen Eintreten eines sehr tiefen Schlafes, der dann der- x) [184.]](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b28059682_0137.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)