Volume 1
Bericht über die Entwickelung der chemischen Industrie während des letzten Jahrzehends im Verein mit Freunden und Fachgenossen / erstattet von Dr. A. W. Hofmann.
- Hofmann August Wilhelm von, 1818-1892.
- Date:
- 1875-1877
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Credit: Bericht über die Entwickelung der chemischen Industrie während des letzten Jahrzehends im Verein mit Freunden und Fachgenossen / erstattet von Dr. A. W. Hofmann. Source: Wellcome Collection.
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![welches Böttger1) vorschlägt, wenig Vortheil dar, um so weniger als die Zersetzungstemperatur bei seiner Anwendung eine höhere ist2). Die lästige Mühe, eine klare Chlorkalklösung herzustellen, lässt sich umgehen, wenn man, wie Stoiba3) gefunden, der trüben Lösung einige erbsengrosse Stückchen Paraffin hinzufügt. Die dünne Oelschicht auf der Oberfläche verhindert das Schäumen. Noch ein Uebelstand blieb zu besie- gen übrig. Der Chlorkalk erfordert beträchtliche Wassermengen zu seiner Lösung, und man hatte daher grosse Gefässe für die Entwickelung mässiger Mengen Sauerstoffs nöthig. A. Winkler 4) umging deshalb den Chlorkalk, indem er eine dicke Kalkmilch mit etwas Kobaltsalz anwandte und dieselbe mit Chlor behandelte. Durch diese Modification wird aus demselben Gefäss eine grössere Menge Sauerstoff entwickelt, und man läuft nicht Gefahr, durch Ueberschäumen belästigt zu werden. Die Rolle, welche in diesen Methoden das Metalloxyd spielt, ist leicht verständlich. Es dient als Sauerstoffträger, indem es abwechselnd in eine höhere, leicht zersetzliche Oxydationsstufe übergeht und rück- wärts in die ursprüngliche Verbindung zurückverwandelt wird. Die unterchlorige Säure des Chlorkalks verwandelt das Kobaltsesquioxyd in die unbeständige Kobaltsäure, welche in demselben Augenblicke in Sauerstoff und Sesquioxyd zerfällt: Co203 -f- 3 [Ca CI (0 CI)] == 3 Ca CL + 2C'o03 2Co03 = Coj 03 + 03. Somit ist ein Theil der oben gestellten Aufgabe in schöner Weise ge- löst, und man bildet durch die Sauerstoffentwickelung selbst den Sauerstoffentwickler zurück; allein der Sauerstoff wird nicht der Atmo- sphäre, sondern dem Kalk entnommen. Die entstehende Chlorcalcium- lösung muss entfernt und durch Kalkmilch ersetzt werden. DerProcess ist darum kein continuirlicher und nach dieser Seite hin war deshalb noch eine ökonomische Vereinfachung desselben möglich. Auch diese ist gefunden worden und zwar durch Versuche, die uns von den Operationen auf nassem Wege zu denen auftrocknem Wege zurück- führen. Seit 1851 5) hat Bo ussinganlt den Baryt als Sauerstoffträger in Anwendung gebracht, der in Porzellanröhren zur Rothgluth erhitzt und mit kohlensäurefreier feuchter Luft behandelt ward, die ihn so in Baryum- superoxyd verwandelte. Durch einen Strom von Wasserdampf wird daraus Barythydrat zurückgebildet und Sauerstoff frei. Ein Zusatz von Kalk oder Magnesia verhindert das Zusammentritten der» Masse, und 75 g Baryt liefern so bei jeder Operation 4 bis 5 1 Sauerstoff. *) Böttger, J. pr. Chem. XCV, 375. 2) Reinsch, N. Jahrb. Pharm. XXIV, 94, Zeitsclir. Chem. 1866, 31. 3) Stolba, J. pr. Chem. XCVII, 309. 4) A. Winkler, J. pr. Chem. XCVIII, 340. 5) Boussiugault, Compt. rend. XXXII, 261 et 821. J. pr. Chem. LH, 480 u. LIII, 313. Dingl. pol. J. CXX, 120 u. 416, im Auszug Ann. Chem. Pharm. XXC, 230 u. 231; ausführlich Ann. Cliim. Phys. [3] XXXV, 5.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21693808_0001_0033.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)