Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des dreissigjährigen Krieges / von Gottfried Lammert.
- Lammert, G. (Gottfried), 1827-
- Date:
- 1890
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Credit: Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des dreissigjährigen Krieges / von Gottfried Lammert. Source: Wellcome Collection.
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![Jungfrauen. Diese sammelten sich am Ende des Dorfes um Mitternacht. Der eine Knecht brachte einen Pflug auf vier Ochsen, der andere eine abgestorbene „Reude, hiermit machte er einen Kreis, in welchen die 7 Frauenspersonen traten, und innerhalb dessen sie sich ganz entkleideten. Hierauf ging die Wittwe mit der Reude voran, die Jungfern spannten sich in den Pflug und zogen eine Furche um das ganze Dorf, während der eine Knecht nachging und der andere die Kleider hütete. Nach verrichteter Arbeit ging man ohne ein Wort zu sprechen nach Hause. — Indes kümmerte sich die Pest nicht um diesen vermeintlichen Bann und entvölkerte manches Dorf. — Diese Sitte des „Umpflügens besteht noch in den mittleren und südlichen Wolgagouvernements und zum Theil in Sibirien. Der Aberglaube wähnt hiermit den bösen Mächten eine Schranke ihres Wirkens zu ziehen; mit dem Umpflügen hält der russische Bauer sich besser gegen alles Unheil, das seinen Viehstand so oft in furchtbarer Weise vernichtet, gefeit, als durch hygienische Vorkehrungen, In Bunzlau trat nach dem Herbstjahrmarkte die Pest auf; zuerst bei einem Fleischer auf dem Klosterplatze, dem seine Familie, das Ge- sinde und ein in seiner Pflege befindlicher Schüler wegstarben; dann erschien sie bei einem Fleischer auf der Nikolaistrasse, in der Bastei und am Ringe und führte so im Ganzen 22 Personen zum Grabe (Trichinose?). In Lübeck herrschten „pestilenzische Fieber, worüber Dr. Joach. Ursinus 1613 eine Schrift drucken liess. — Norden, die älteste Stadt Ostfrieslands, erlitt durch die Pest grosse Verluste ^). Wehlau (6 Meil. ö. v. Königsberg) hatte 700 Pestopfer zu beklagen ^). Einem seh]i.^filin.daa warmen Winter folgte ein trockener Frühling. Schon im Jlai kamen verheerende Hagelwetter und Gewässer. Am 29. Mai erhob sich nach mehrfachen Gewittern mit Wolkenbruch grosse Wassernoth bei Langensalza, Weimar an der Um u. s. w. mit grossem Verluste an Menschen imd Vieh („Thü- ringische Sündfluth genannt). Die vom Hagel verschonten Felder lieferten gute Ernte; Wein viel und sauer. Der Herbst war nass; man konnte wegen baldigen Eintrittes eines schneereichen Winters viele Wurzelfrüchte nicht mehr einheimsen. In der Stadt Giengen (Württ.) und Umgegend herrschte die ungarische Krankheit, welche viele, besonders junge Leute wegraffte; es sollen gegen 200 daran gestorben sein. — Wie Hengstfeld (O. A. Gerabronn), litt auch Crailsheim an der Jagst mit Umgebung durch die Seuche, welcher hier 500 Personen erlagen. Ebenso wurde Hall am Kocher, dann Ingers- 1) Görges, Volksb. III. 214. a) Erleut. Preussen IV, 701.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21062985_0051.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)