Klinische und anatomische Untersuchungen über den Cretinismus / von Wilhelm Scholz ; mit 1 Karte und 72 Abbildungen im Text.
- Scholz, Wilhelm, 1864-
- Date:
- 1906
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Credit: Klinische und anatomische Untersuchungen über den Cretinismus / von Wilhelm Scholz ; mit 1 Karte und 72 Abbildungen im Text. Source: Wellcome Collection.
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![sonders ausgeprägtes Zurückbleiben der Verknöcberiingsprocesse. Nacb A. Hocbe (1. c. 2086, S. 245) ist für die Diagnose des Cretinismus sclion die Herkunft eines Individuums aus einer des Crelinisnius verdächtigen Gegend ein brauchbarer Fingerzeig. Wie aus dieser Darlegung ersichtlich, ist seil dei' Zeil, W(j nian sich ernstlich bemühte, die Idiotie vom Cretinismus zu trennen, eine FiilJe differentialdiagnostischer Vorschläge gegeben vi^orden. Auch icli schliesse mich der Meinung von Ho che an, class die Herkunft aus einem Kropf- bezirk ein wichtiges diagnostisches Moment bildet. Es ist jedoch auf- fallend, dass in Cretinengegenden, speciell in Obersteiermark, neben dem eigenthchen Cretinismus auch die Idiotie sein- häufig ist. Hier wäre eine scharfe Trennung wünschenswertb. Theoreliscli wäre die Scheidung nicht schwer. Von der Imbecillität, dem Schwaclisinn, bis zum Idiotismus, dem Blödsinn, giebt es eine grosse Reihe von Psychosen, welche sich nur qualitativ unterscheiden, die sich aber stets auf angeborene oder früh erworbene Hirnveränderungen zurückführen lassen. Es ist einerlei, ob grobe Entwickelungshemmungen vorliegen, welche bereits intrauterin ein- traten, oder ob es sich um früheinsetzende entzündliche Processe des Hirns oder seiner Häute liandelt. In der Anamnese dieser Kranken fehlt ausnahmslos die Angabe einer solchen Erkrankung. Fälle von später oder secundär entstandener Idiotie sind wenigstens zum Theil durch anamnestische Angabe der Umgebung des Kranken feststellbar, so dass der psychische Defect auf einen bestimmten Zeitpunkt zurückgeführt werden kann. Diese Krankheitsgruppe kommt daher nicht mehr für die Differentialdiagnose ]nit dem Cretinismus in Betracht. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Affection auf Seiten des psychischen Defectes, während die körperliche Entwickelung kaum Schaden leidet. Bei jenen Fällen aber, welche einer frühzeitigen Erkrankung des Gehirns ihre Ent- stehung verdanken, ist ein vollständig normaler Körperbau selten vor- lianden. Der Körper kann zuweilen schlank, der Knochenbau grazil sein, viel häutiger begegnet man aber zurückgebliebenem Wachsthuni, ins- besondere Anomalien der Schädelcontlguration, welche moderner Ansicht entsprechend, nicht Ursache, sondern Folge der Hirnveränderung sind. Derartige Schädelanomalien, besonders Asymmetrien, fi^nden sich auch bei Cretinen. Der Thurmschädel, der Zuckerhutschädel kommen aber bei Cretinen wohl kaum vor. Die von älteren Autoren beschriebenen Fälle solcher Schädelanomalien bei Cretinen sind wahrscheinlich der Idiotie zuzuzählen. Die fliehende Stirn kommt liäufiger bei Idiotie als bei Cretinismus vor, doch i.st dieses Zeichen diff'erentialdiagnostisch nicht gegen den Cretinismus zu verwerthen. Ich selbst sah Fälle mit zu- rückfliehender Stirn, welche unzweifelliaft dem Cretinismus angehörten. Verkrümmungen der Knochen und der Wirbelsäule sind beiden Pro- cessen gemeinsam. Hier entscheidet die Röntgenaufnahme für die Diagnose. Die Persistenz der Knorpelfugen spricht für Cretinismus. Lähmungen und Contracturen sind ebenfalls häufiger bei Idiotismus zu finden, fehlen jedoch auch nicht beim Cretinismus. Strabismus, Athetose, Zwangsbewegungen, Bewegungsstereotypien, Chorea und Epilepsie kommen bei beiden Erkrankungen vor, allerdings häufiger bei Idiotie und beruhen wahrscheinlich auf gleichartigen Hirnveränderungen. Die dicke vorge- streckte Zunge, der Speichelfluss, die unwillkürliche Entleerung der Fäces und des Urins findet sich sowohl bei dem Cretinismus, als auch bei der](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21167965_0517.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)