Gedenkband für J. von Mikulicz / redigiert von W. Kausch.

Date:
1907
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Gedenkband für J. von Mikulicz / redigiert von W. Kausch. Source: Wellcome Collection.

    21/1160 (page 7)
    trotzdem aus. Noch öfters war er jedoch, auch später, als er bereits Assistent war, recht verzweifelter und mutloser Stimmung. Besonders seit seiner Verlobung quälte ihn die Sorge um seine Zukunft. So hatte er einmal allen Ernstes vor Gynäkolog zu werden. Er ging auch in die Frauenklinik, den Betrieb anzusehen, kehrte aber enttäuscht und umgestimmt zurück: die Gynäkologie, so wie sie damals beschaffen war, mißfiel ihm durchaus. Ein andermal war er nahe daran, als Sekundärarzt an ein Wiener Spital zu gehen. Der Betrieb der BiLLROTHschen Klinik ähnelte in vieler Beziehung dem der späteren MiKULiczschen Klinik in Breslau. Der Volontär lernte in der Hauptsache vom Assistenten, der Assistent vom Chef. Die bedeutendsten Vordermänner an der Klinik waren damals Gussen- bauer, Wölfler, Gersuny. Nach 31/2-jähriger Tätigkeit wurde M. endlich Assistent an Nedopils Stelle. Die Volontär- und Assistentenzeit war keine leichte, der Dienst war ein sehr anstrengender. Billrotii stellte auf der Klinik hohe Anforderungen, und nach der klinischen Tätigkeit kamen dann die wissenschaftlichen Arbeiten. Aber eine Arbeitsfreudigkeit herrschte da- mals auf der Klinik. Bis spät in die Nacht hinein, gelegentlich selbst die Nacht hindurch saß man am Mikroskop oder bei anderer Tätigkeit. M. war in allem von außergewöhnlicher Gewissenhaftigkeit. Beim Personal war er gefürchtet, da er zu den ungewohntesten Zeiten nachts nach Patienten sehen kam und oft genug schlafendes Personal ertappte. Billroth befand sich damals in seiner Glanzperiode: unerschöpfliche Arbeitskraft, geniale Ideen; ein vorzüglicher Diagnost und glänzender Techniker. Es muß eine Freude gewesen sein, in der damaligen Zeit als Billroths Assistent zu fungieren! Es bestand ein inniges wissen- schaftliches Verhältnis zwischen Billroth und seinen Schülern; einige Winter hindurch hielt er auch mit seinen Assistenten, meist am Sonntag Vormittag, Operationsübungen an der Leiche ab. Von dem wissenschaftlichen Eifer, der auf der Klinik herrschte, legen auch die zahlreichen Publikationen M.s Zeugnis ab. Billroth regte seine Schüler auf das intensivste zum selbständigen Denken und Arbeiten an; er selbst teilte ihnen nur die Themen und Gesichtspunkte mit; das Weitere überließ er ihnen. Sogleich die erste Arbeit M.s war ein Treffer ins Schwarze. Als er etwa Va Jahr an der Klinik war, operierte Billroth eines Tages einen Fall von Rhinosklerom. Während der Operation warf er die exzidierten Gewebsstücke ihm zu mit der einfachen Bemerkung: „Herr Dr. M., sie könnten das näher untersuchen.“ Weiter sprach er kein Wort darüber. Nach einigen Wochen zeigte M. Billroth die Präparate und setzte ihm seine Ansicht auseinander, die der IIebras wieder- sprach; dieser faßte den Prozeß nämlich als Sarkom aut, M. hingegen als eine chronische Entzündung. Billroth sah die Präparate genau