Gedenkband für J. von Mikulicz / redigiert von W. Kausch.

Date:
1907
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Credit: Gedenkband für J. von Mikulicz / redigiert von W. Kausch. Source: Wellcome Collection.

    243/1160 (page 229)
    Während die Zahl der auf 1000 Arbeiter kommenden gemeldeten Unfälle in Breslau über doppelt so groß ist als in Berlin, ist die Zahl der auf 1000 Arbeiter kommenden entschädigten Unfälle kleiner als dort. Prozentual berechnet, sind in Berlin im Laufe der letzten 6 Jahre 5,944 Proz. aller gemeldeten Unfälle entschädigungspflichtig geworden — in Breslau 2,254 Proz. Besser als Worte beweisen diese Zahlen die Richtigkeit der STOLPERSchen Ansicht. Freilich muß zugegeben werden, daß die wahllose Uebernahme des Heilverfahrens seitens einer Berufsgenossenschaft sich im allgemeinen schwer durchführen lassen wird. Verfolgen wir die Ergebnisse des Heil- verfahrens in der VI. Sektion der Brauerei- und Mälzerei-Berufsgenossen- schaft, so sehen wir, daß auch aus der wähl weisen Uebernahme der Behandlung dieser ein großer Vorteil erwachsen ist. Im Jahre 1892, zu einer Zeit, wo das Heilverfahren innerhalb der ersten 13 Wochen seitens der Berufsgenossenschaft noch nicht übernommen wurde, betrug die Zahl der auf 1000 Arbeiter kommenden entschädigten Unfälle 17,63, im Jahre 1905, wie wir gesehen haben, 9,11. Die Zahl der auf 1000 gemeldete Unfälle kommenden entschädigungspflichtigen Unfälle betrug 1892: 186,01, im Jahre 1905: 54,18. Man kann also mit Recht die Uebernahme des Heilverfahrens seitens der Berufsgenossenschaften in irgend einer Form als entschieden vorteilhaft bezeichnen. Unverständ- lich bleibt es daher, warum die große Mehrzahl der Berufsgenossen- schaften innerhalb der Karenzzeit zur Wiederherstellung ihrer Verletzten nichts tut. Es hieße jedoch den Endzweck der sozialen Gesetzgebung ver- kennen, wollte man bloß von dem Nutzen reden, den die Berufsge- nossenschaften von der Unfallstation haben. Ein möglichst baldiger, und vor allen Dingen vollkommener Wiedergewinn der ganzen Arbeits- kraft des Verunglückten ist das Ziel dieser humanen Gesetzgebung. Durch intensivere und freundliche Behandlung ihrer Patienten ist es der Station gelungen, sich das Vertrauen der Arbeiter zu erringen, die eingesehen haben, daß ihre Leiden mit „wohlwollender Objektivität“ behandelt werden. Der Arzt tritt hier in einen — ich möchte fast sagen — intimeren Verkehr mit dem Patienten, er lernt dessen Cha- rakter, dessen Schwächen kennen und vermag oft durch psychische Be- einflussung die jedem Verletzten innewohnende Energielosigkeit zu be- kämpfen. Ist aber ein Verlust an Arbeitskraft durch die Schwere des Un- falles zurückgeblieben, so werden dem Verletzten seitens der Station Mittel und Wege genannt unter gleichzeitiger Benachrichtigung der Be- rufsgenossenschaft, wie er seine Rentenansprüche geltend zu machen hat. Auf Grund eines Gutachtens, welches der leitende Arzt der Station einzusenden hat, erfolgt dann die Rentenfestsetzung. Diese Gutachter- tätigkeit zusammen mit der Ausstellung der ersten informatorischen