Die Entwicklung und der Bau des Kretinenskeletts im Röntgenogramme / von Eugen Bircher.
- Bircher, Eugen, 1882-
- Date:
- 1909
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Credit: Die Entwicklung und der Bau des Kretinenskeletts im Röntgenogramme / von Eugen Bircher. Source: Wellcome Collection.
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![Die Scham- und Sitzheinäste sind sowohl unter sich als auch mit dem Darmbeine fest ver- bunden und nirgends können knorpelige Überreste von früher nachgewiesen werden. Der vordere untere Pfannenrand ist nicht scharf gezeichnet, sondern macht den Eindruck des unscharfen und unexakten Baues. Die Darinbeinschaufel ist ziemlich steil aufgestellt und preßt das Becken von hinten nach vorn zusammen. Der ganze Bau der Hüfte hat die schön geschwungenen und proportionierten Linien des normalen Hüftgelenkes verloren. Beob. 30. K. K. von Scherz, ‘ZS'Vajähriger Kretin. Fig. 118. Der Trochanter major ist sehr mächtig entwickelt, ebenso der Trochanter minor, an keinem von beiden Kernen sind irgend welche Epiphysenlinien nachweisbar. Der Schenkelhals ist kurz gebaut, wälirend das Caput femoris eine gewaltige Entwicklung gefunden hat. Der mediale Teil des Kopfes hat in geringem Grade eine leichte Abplattung nach unten und innen zu erfahren. Eine Epiphysenlinie ist nicht mehr sichtbar. Sehr stark sind die Beckenknochen entwickelt. Die auf- und absteigenden Schambeinäste sind breite, feste Knochen. Alle am Beckenaufbau teilnehmenden Knochen sind miteinander verwachsen und nirgends ist eine offenstehende Epii)hyse nachzuweisen. In der Entwicklung ist keine Verzögerung nach- zuweisen. Beob. 40. H., 42jähriger Kretin. Fig. 119. Der Femurschaft zeigt einen plumpen Bau. Der Trochanter minor ist gewaltig entwickelt, über 20 Centimesstück groß. Medial von diesem findet sich ein starker Schatten, der als Muskelsesamoid aufgefaßt werden muß, ebenso findet sich oberhalb des Trochanter nunor hinter dem Schafte ein länglich- rundlicher, quer gestellter Schatten, der ähnlich gedeutet werden kann. Der Trochanter major ist stark entwickelt. Eine merkwürdige Gestalt besitzen Kopf und Hals des Femurs zusammen. Sie sind nicht scharf voneinander zu trennen. Der Kopf geht direkt ohne weitere Ahsetzung in den Hals über. Er ist sehr stark aufgetrieben und bildet eine bi-eite, plumj)e Masse in der direkten Verlängerung des Femurschaftes. Nur zu seinem geringem Teile befindet sich der Kopf in der Gelenk])fanne. Es ist dies eine medial verlaufende von ihm selbst abgehende Fortsetzung, die wie ein überhängender Eiszapfen oder eine Schneewuchte, in einem bogenförmigen Verlauf sich mit der medial gelegenen Konvexität in die Konkavität der Pfanne hineinlegt. Das Bild des Hüftgelenks wird dadurch ein verzerrtes, der Kopf nimmt eine ganz zerquetschte und zerpreßte Form an. Der größere Teil dieses deformierten Koj)fteiles liegt in der oliern Hälfte der Gelenkcavität, und die untern Gelenkquadranten werden nur von dem überhängenden Fortsatz ausgefüllt. Die Gelenkpfanne selbst bietet auch einen abnormen Aufbau: Die obern Scham- und Sitzbein- äste sind außergew'öhnlich stark entwickelt, ebenso der Gelenkanteil des Schambeines, so daß die Gelenk- wandung außerordentlich dick und plump wird. Die Pfanne selbst ist sehr flach gebaut und zeigt eine unregelmäßige Konturierung. Im untern Teile ist sie stark entwickelt und der Pfannenrand sjuingt geradezu hervor. Nach oben ist der Pfannen- rand fast auf der Höhe der Articulatio sacroiliaca verschoben. Eine Erweiterung der Pfanne ist vorhanden. Die Plumi)heit, Deformierung und Unproportioniertheit aller Knochen beherrscht das ganze Bild. Es ist der typische Zustand einer Coxa vara. Beob. 52. H., 70jähriger Kretin. Fig. 120. Sehr kräftig ist die Entwicklung des Femurschaftes, besonders stark ist der vorsi)ringende Fort- satz des Trochanter minor, während die Entwicklung des Trochanter major etwas zurückgeblieben ist. Letzterer ist nicht zweigipflig, sondern er bildet mehr eine kuppenförmige Protuberanz. Der Hals ist von mäßiger Länge 2,5—3 cm und nicht besonders dick. Der Kopf hingegen ist sehr schmal und dünn und bildet ein pelzförmiges Dach über den Hals. Besonders der obere und äußere Teil des Kopfes ist sehr stark zusammenge})reßt und überhängend. Ähnliche Verhältnisse sind am untern Pole doch in etwas geringerem Maße ausgesprochen. Die Pfanne ist nicht besonders w'eit, jedoch flach und die Concavität ist nicht schön geformt. Der obere Pfannenrand ist vorsi)ringend, und nimmt eine sehr breite Stellung ein. Scham- und Sitzbein sind von mittlerer Stärke und das Becken wird durch die mächtige und steil aufgerichte Darmbeinschaufel von hinten nach vorne zusammcngepreßt. Die Achse des Schenkelhalses bildet mit der Achse des Femur einen sehr geringen stumpfen Winkel. Beob. III. N., Ißjähriger Zwergwuchs von Ittenthal. Fig. 121. Der Femur ist sehr schlank gebaut und verläuft in zarten Konturen. Vom Trochanter minor ist noch keine knöcherne Anlage vorhanden. Der Trochanter major ist als etwas über linsengroßer Kern angelegt und mit dem Femur jedoch schon in Verbindung getreten. Der Schenkelhals ist von gut proportionierter normaler Länge. Der Schenkelkopf ist deutlich als schön geformte Kugel vorhanden, er ist scharf vom Halse abgesetzt. Eine Epiphysenlinie ist nicht mehr nachzuweisen, er ist mit dem Halse in Verbindung getreten. Scham- und Sitzbeine sind in ihren unteren Ästen verwachsen, die Nahtlinie ist noch sichthar, jedoch nicht mehr deutlich. Die beiden oberen Äste werden von dem sehr breiten Darmbein in der Gelenkj)fanne durch eine V.j mm breite Fuge getrejint. Die sämtlichen Beckenknochen wie auch das untere Ende der Wirbelsäule erwecken den Eindruck des unentwickelten und in seinem Wachstum stehen- gebliebenen Skelettes. Die Symphyse klafft noch ziemlich stark. Der Winkel, den Schenkelhals und Schaft miteinander bilden, ist stark ein stumpfer geneigter. Er beträgt 116®. Der Zustand des Skelettes entspricht dem- jenigen eines 9—10jährigen normalen Kindes.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b28119964_0188.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)





