Diagnostik und Therapie der Rückenmarks-Krankheiten : in zwölf Vorlesungen / von M. Rosenthal.
- Moriz Rosenthal
- Date:
- 1884
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Credit: Diagnostik und Therapie der Rückenmarks-Krankheiten : in zwölf Vorlesungen / von M. Rosenthal. Source: Wellcome Collection.
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![5. Arsen mittel. Die deletären Wirkungen des Arsens, dieses heftigen mineralischen Giftes auf das Nervensystem, sind schon seit lange her bekannt. Den neuesten Untersuchungen von Binz und Schulz zufolge deuten die am lebenden Thiere im wässerigen Darminhalte nachweislichen Umsetzungen der arsenigen Säure in Arsensäure und umgekehrt darauf hin, dass das Proto- plasma der Nervencentren Stätte und Ursache der nach Einführung von Arsenik eintretenden Oxydation und Reduction sei. In dieser örtlich gesteigerten Verbrennung der lebenden Zellen beruhen auch die Erscheinungen der giftigen, sowie der therapeutischen Wirkungen des Arsens. Die Experimente von S k 1 a r e k und L e s s e r ergaben ferner an kleineren und grösseren Thieren Lähmung der sensiblen Nerven, von welchen durch keinerlei Reize Bewegungen auszulösen waren. Da die sensiblen Endapparate und die peripheren Nerven als intact nachgewiesen werden konnten, so muss die Ursache der Sensibilitätsstürung im Rticken ma rke (in Lähmung der hinteren grauen Substanz) gelegen sein. Nach S k 1 a r e k soll dagegen das Arsen die motorischen Functionen nicht beeinflussen, doch sollen bei Fröschen die spontanen Bewegungen ausfallen. Plausibler erscheint uns die Angabe Lesser's, dass das Arsen zuerst den motorischen Nerven nebst den intramuskulären Nerven- endigungen, und dann den betreffenden Muskel lähmt. Nach neueren Thierversuchen von Klemm erzeugt das Arsenik Entzündung an den Nerven Stämmen, welche in aufsteigen- der Richtung auch auf die Rückenmarkshäute übergreifen kann. Aus einer von uns bei der Arseniklähmung angeführten Beob- achtung war gleichfalls der spinale Charakter der Affection beim Menschen zu ersehen. Nach vorangegangenen Neuralgien war es zu Lahmheit der Beine, zu hochgradiger Atrophie der Oberschenkel und Waden, zu Abnahme der faradischen Contractilität und Sensi- bilität, zu Zittern der Hände und zu Verlust der Potenz ge- kommen. Erst nach anderthalb Jahren gelang es den combinirten therapeutischen Einwirkungen, die Neuralgien, die motorischen Beschwerden, sowie die Impotenz zum Weichen zu bringen. Die therapeutische Verwendung des Arsens bei Neurosen, bei spinalen Reiz- und Lähmungsformen erfreut sich der Gunst der Theoretiker, sowie der Praktiker. Ausser den verschiedenen Neuralgien, Asthma nervosum, Chorea, Paralysis agitans wird die Arseniktherapie öfter bevorzugt bei Neurasthenie, bei der multiplen Hirn- und Rückenmarksclerose, bei der spastischen Spinalparalyse, bei der spinalen Halbseitenläsion und bei dem hysterischen Tremor. Die gebräuchlichsten Präparate sind das Kali arsenicosum (zumeist in Form der Fowl ersehen Lö- sung) und das Natron arsenicosum. Nebst dem innerlichen Gebrauche dient die Solutio Fowleri auch zu subcutanen Injectionen (1 : 2 Wasser, hievon 1!s bis ]/2 Spritze anfangs täglich, später jeden anderen 1 ag) bei den letzterwähnten Erkrankungsformen.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b22370523_0186.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)