Lehrbuch der vergleichenden Pathologie und Therapie des Menschen und der Hausthiere : für Thierärzte, Ärzte und Studirende / von Georg Schneidemühl.
- Schneidemühl, Georg, 1853-1928.
- Date:
- 1898
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Credit: Lehrbuch der vergleichenden Pathologie und Therapie des Menschen und der Hausthiere : für Thierärzte, Ärzte und Studirende / von Georg Schneidemühl. Source: Wellcome Collection.
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![Man wird diesen auf Grund umfangreicher Sachkenntniss ausgesprochenen Ansichten Bollinger’s über die Bedeutung der vergleichenden Pathologie nur voll und ganz zustimmen können. Mit Recht erinnert Bollinger daran, dass die Ent- stehung mancher räthselhafter und verderblicher Krankheiten, wie z. B. der bös- artigen Neubildungen durch das vergleichende Studium an Thieren Hand in Hand mit der experimentellen Forschung manche Aufklärung finden kann und wird. Ferner würde die eingehende Erforschung und systematische Untersuchung der Aetiologie sämmtlicher Thierseuchen, die gleichzeitig nationalökonomisch die grösste Bedeutung haben, für die Kenntniss der menschlichen Tnfectionskrankheiten un- mittelbar fruchtbar sein. Auch die wichtige Frage von der Erblichkeit man- cher Krankheiten, bemerkt Bollinger weiter, die in so enger Beziehung zur Hygiene steht, wird durch vergleichend-pathologische Forschungen wichtige Anhalts- punkte gewinnen, die sich in relativ kurzer Zeit durch Züchtungsversuche mit kranken Thieren erreichen lassen, wobei z. B. der Einfluss des Vaters, der ^Mutter, der Vorfahren überhaupt nach sicheren Älethoden sich prüfen lässt. Bei eingehenderem Studium der vergleichenden Pathologie wird leicht festzu- stellen sein, dass die Grundstörungen im Wesentlichen gleicher Natur sind, wie auch, von unwesentlichen Abweichungen abgesehen, die feinere Organi- sation bei allen Säugethieren und Vögeln übereinstimmend ist. Soweit Abweich- ungen in den Krankheitsäusserungen bei den verschiedenen Thierarten nachzuweisen sind, wird man dafür in der Hauptsache folgende Gründe angeben können. Zu- nächst in der verschiedenen Reizempfänglichkeit der einzelnen Thierarten gegenüber pflanzlichen und thierischen Parasiten, pflanzlichen und mineralischen Giften sowie gegenüber bestimmten Witterungseinflüssen. Die Immunität, bezw. geringe Em- pfänglichkeit einzelner Thierarten vielen pathogenen Bacterien gegemüber bedingt es, dass manche Infectionskrankheiten nur beim ^lensclum oder nur bei bestimmten Thierarten Vorkommen; z. B. aSIasern, Scharlach, Cholera, Typhus, Syphilis u. s. w. nur beim IMenschen, Rinderpest nur bei den Wiederkäuern, Ijungenseuche Jiur beim Rinde, Stäbchenrothlauf und Schweineseuche nur beim Schweine u. A. Auch da, wo für dasselbe Contagium eine Emj)fängliehkeit bei vei'schiedenen Thierarten besteht, äussert sich die Wirkung desselben bei den einzelnen Thierarten oft in ver- schiedener Art, so zeigt .sich der auf den Menscheji übertragene INIilzbrand fast nur als örtliche Erkrankung (Pustula maligna), während bei Thieren die apoplectisch auftretende Allgemeinerkrankung die Regel bildet. Aehnlich liegt es theilweise bei der Tuberkulose, beim Rotz, bei der Actinomykose u. s. w. Bezüglich der Wirk- ung atmosphärischer Einflüsse kann man bei den einzelnen Hausthierarten eben- falls sehr verschiedene Eni])fänglichkeit nachweisen; so sind die Wiederkäuer, be- sonders die Rinder sehr unemj)fänglich und bleiben oft bei erheblichen Witterungs- einflüssen ohne wesentliche Störungen, wo Pferde und auch Hunde unter den gleichen Einflüssen schwer erkranken. Vielfach sind die Abweichungen in der Art und in dem \ orkommen man- cher Krankheitsvorgänge auch in der verschiedenartigen Organisation der Thier arten, in der geweblichen Einrichtung der einzelnen Organe, oder in der besonderen Entwickelung derselben bei den einzelnen Thierspecies begründet, wodurch auch die Gelegenheit leichter zu erkranken begünstigt wird, ln dieser Richtung sei an](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b28112829_0030.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)