Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik.
- Lehmann, Alfr.
- Date:
- 1892
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Credit: Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik. Source: Wellcome Collection.
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![ob ein Getuhl bisweilen mit der erzeugenden Vorstcllung ver- schwande, bisweilen aber auch isob'ert fortbestehen konne, und es miifs also unsere Aufgabe werden, zii bestimmen, wann ersteres und wann letzteres stattfinden wird. 294. Schon in der Thatsache, dafs das Gefuhl expandieren kann, ist ein Moment gegeben, das im stande sein mufs, eine Erkliirung der Erscheinung herbeizuftihren. Denn unserer durch alle vorhergehenden Untersuchungen bestiitigten Theorie zufolge kann ein emotionelles Element nicht isoliert bestehen, sondern mufs stets an bestimmte Vorstellungen gebunden sein. Soil eine Stimmung also nach dem Verschwinden der urspriinglichen betonten Vorstellung bestehen konnen, so ist dies nur dadurch moglich, dafs die Vorstellung mittels Association andere Vor- stellungen mit der namlichen Gefiihlsbetonung erweckt hat, die sich dann fortwahrend im Bewufstsein geltend machen oder auch ihrerseits wieder andere Vorstellungen mit entsprechenden Gefuhlstonen hervorrufen u. s. w. Indem eine bestimmte Vor- stellung auf diese Weise durch bestandiges Reproduzieren neuer Vorstellungen einen gewissen Gefiihlston im Bewufstsein fort- bestehen liifst, kann dieser auf vielfache Weisen — deren etliche wir schon im Vorhergehenden behandelt haben — auf andere, von aufsen gegebene Vorstellungen einwirken und deren Gefiihls- tone modifizieren. Diese Erklarung hat schon von vornherein einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit fur sich, weil, wie wir wissen, jedes Gefuhl sich durch Erzeugung von Veranderungen des Lebensgefilhls verstarkt, und diese Veranderungen verlieren sich nur langsam. Sind wir in AfFekt gewesen, so werden die Nachwirkungen der Gemiitsbewegung sich noch lange nachher als eine Stimmung spiiren lassen [76—77]; das Gleichgewicht wird erst allmahlich wiedergewonnen. Und auch wenn das Gefiihl kein solches Maximum der Starke und des Umfangs er- •reicht, dafs es anderen Menschen als sichtbare Gemutsaufregung erscheint, hat es doch in hoherem oder geringerem Grade seinen Einflufs auf den Organismus zur Geltung gebracht, und diese Veranderungen des LebensgefUhls konnen dann auf spittere betonte Vorstellungen influieren. An den die Gefuhle begleiten- den organischen Veranderungen, die wieder selbst von starken Gefuhlstonen begleitet werden, haben wir also einen Faktor, der es verstandlich macht, wie der einmal entstandene Gefiihlston auf spatere Bewufstseinszustande einzuwirken vermag. Auf eine](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21272256_0236.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)