Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik.
- Lehmann, Alfr.
- Date:
- 1892
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Credit: Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik. Source: Wellcome Collection.
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![zu. Es scheint also unzweifelh<aft zu seiii, dais das Kind Lust und Unlust flihlen kann, und dal's Lust von einera Aufsperren, Unlust dagegen von einem Zukneifen der Augen begleitet ist, auch wenn es kein Geschrei horen liifst [P. 22-23]. Mit diesen primitiven Erscheinungen beginnen die Zustande, die sich spater zu Freude und Kummer entwickeln, und indem wir uns nun vorlauiig mit der Freude beschaftigen, wollen wir deren Ent- wickelung verfolgen und nachweisen, wie allmahlich eine immer grofsere Anzahl der charakteristisclien Aufserungen derselben auftauchen. 375. Vorerst wird es indes von Interesse sein, zu unter- suchen, wie die genannte mimische Bewegung entstanden ist. Dafs sie angeboren ist, steht aufser allem Zweifel, da das Kind schon, bevor es den miitterlichen Organismus vollstandig verlassen hat, zu schreien aufhort, zu saugen anfiingt und mit einem wohl- zufriedenen Ausdruck die Augen aufsperrt, wenn man ihm ein warmes, glattes Ding, z. B. einen Finger, in den Mund steckt. Wir haben hier also eine angeborne Ausdrucksbewegung, die durch angenehme Empfindungen allein ausgelost wird. Der Ursprung derselben ist folglich in friiheren Generationen zu suchen, und die Annahme liegt dann nahe, dais sie eine Associationserscheinung im [368] erwahnten Sinne ist. Da das Sehvermogen eine der wesentlichsten Quellen unserer Lustgefiihle ist und fiir den entwickelten Menschen so grofse Bedeutung hat, dafs wir nur mit ganz einzelnen Ausnahmen (z. B. der Musik) Lust an etwas zu flihlen vermogen, wenn das Auge nicht an der Sache beteiligt ist (man bedenke die Unsicherheit des Geschmacks in der Dunkelheit), so mufs sich im Laufe der Zeit zwischen angenehmen Zustanden jedweder Art und den Muskelbewegungen, mittels deren das Auge geofFnet wird, eine feste Association ge- bildet haben. Deshalb tritt beim soeben gebornen Kinde die OfFnung des Auges als instinktive Bewegung auf. — Ebenso konnen wir eine andere Ausdrucksbewegung erklaren, die sich ebenfalls am ersten Tage des Kindes wahrnehmen lafst, die aber um diesen Zeitpunkt nur beim Saugen eintritt [P. 72], der Gesichtsausdruck namlicli, der die Emphndung des Siifsen zu begleiten pflegt. Auch diese ist zweifelsohne ursprtinglich eine Triebbewegung, denn wenn man dem Munde die wohlbekannte Form gibt, nahert man die Zungenwurzel dem Gaumen, wodurch die Beriihrung des slifsen Objekts mit der Zungenwurzel, wo die](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21272256_0317.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)