Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik.
- Lehmann, Alfr.
- Date:
- 1892
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Credit: Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik. Source: Wellcome Collection.
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![nicht nur grofsere Staubpartikeln, sondern aiich seine eignen Hande kommen wiihrend der zwecklosen Bewegungen hllufig in iinsanfte Berlihrung mit dem Aiige. Jeder derartige Reiz ruft bekanntlich eine vermehrte Thranenabsonderimg hervor, die jedoch. selten so stark wird, dafs die Thranen die Wangen hinab- laufen^). Diese Beruhrungen sind indes sehr schmerzlich, und sie werden deshalb alle die gewolinlichen Aufserungen des korper- lichen Schmerzes erzeugen. 1st dies einigemale gescheben, so wird sich zwischen den Aufserungen des korperlichen Schmerzes und der vermehrten Thranenabsonderung eine Association ge- bildet haben, und so wie diese allmahlich immer fester wird, mufs das Vergiefsen der Thranen ebenfalls sowohl haufiger als reichlicher werden. Es ist deshalb ganz natiirlich, „dafs kleine Kinder im zweiten und dritten Jahre liber Unlust erregende Eindrilcke viel leichter weinen und mehr Thranen vergiefsen, als halbjiihrige und einjahrige [P. 227]. Es besteht jedoch stets ein gewisses antagonistisches Verhaltnis zwischen dem Gefafs- spasmus beim Schmerze und der vermehrten Thranenabsonderung, weil letztere wahrscheinlich dadurch von ersterem gehemmt wird, dafs der Stoffwechsel, somit also auch die Absonderungen der Thranendriise, langsamer vorgehen. Es ist daher leicht zu verstehen, weshalb das Weinen gewohnlich erst dann eintritt, wenn der Kummer sich besanftigt, denn die an diesem Punkte erscheinende Dilatation bietet giinstigere Bedingungen fiir den Ausbruch des Weinens dar, als der starke Gefafsspasmus. Wie nun aber das Weinen wahrend der Kulmination der intensiven korperlichen Schmerzen eintreten kann, ist nicht ganz eiu- leuchtend; es gibt indes ja etwas dem Analoges auf anderen Gebieten, indem z. B. starker Schreck trotz des Gefafsspasmus eine vermehrte Sekretion des Schweifses bewirken kann. Und was nun schliefslich den Umstand betrifft, dafs der Erwachsene freilich bei Kummer, gewohnlich aber nicht unter korperlichen Schmerzen weint, so ist das wahrscheinlich als ein Kunsterzeugnis aufzufassen. Hat das Kind ein gewisses Alter erreicht, so wird es darauf dressiert, seine Tlirilnen beim Schmerze zurtickzudrangen. 1) Kalte Luft kann dasselbe bewirken. Als Kuriosum mag angefiihrt werden, dafs mein Tochterchen am 40. Tage zum erstenmal in der freien Luft war; am 43. Tage weinte sie zum erstenmal so, dafs ihr die Thranen die Wangen hinabflossen.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21272256_0333.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)