Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik.
- Lehmann, Alfr.
- Date:
- 1892
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Credit: Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik. Source: Wellcome Collection.
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![als eine Schwacliimg der willkiirlichen Innervation nebst Gefafs- verengerung, wozu dann gewifs stets ein Spasmus der organischen Muskeln hinzukommt. 393. Mit Bezug auf die Entwickelung dieser Affekte ist nicht viel zu bemer,ken. Der Natur der Sache zufolge kdnnen sie nicht beiiu kleinen Kinde vorkommen, da sie eine Ent- wickelung der Phantasie, also eine Vorstellungsreproduktion erfordern, die wahrend der ersten Lebenszeit nicht moglich ist. Wann sich zum erstenmal eine Erwartung beim Kinde verrat, wird nicht vonPreyer angegeben, und ich habe deshalb selbst einige Beobachtungen hieriiber angestellt. In der 12. Woche begann das Kind Saugbewegungen zu machen und gleichsam vor Ungeduld mit den Armen auszuschlagen, wenn ich die Saugflasche innerhalb seines Gesichtskreises brachte. Sobald ich die Flasche entfernte, fing es zu schreien an. Ein paar Tage spater lachelte das Kind zum erstenmal beim Anblick der Mutter und verriet somit zweifelsohne ein Wiedererkennen. Da das Wiedererkennen nun selbst eine primitive Erwartung voraus- setzt [308—309], so scheinen die beiden genannten Beobachtungen im Verein darauf hinzudeuten, dafs das Vorstellungsleben des Kindes zu dem angegebenen Zeitpunkte so entwickelt war, dafs sowohl die primitive Erwartung als die mehr bewufste zu stande kommen konnte, und ich kann als ziemlich gewifs verbiirgen, dafs vor der genannten Zeit keine Spur von diesen Erscheinungen zu entdecken war. Von Furcht, von der Erwartung einer Unannehmlichkeit, wird also ebenfalls kaum vor ungefahr der 13. Woche die Rede sein konnen; wird das Kind aber keinen schmerzhaften Reizen ausgesetzt, so mufs lange Zeit verstreichen konnen, bis es Furcht fuhlt. Dies sagt denn auch Preyer: „Wann ein Saugling zum erstenmal Furcht verrat, hangt wesentlich von seiner Behandlung ab, sofern die Vermeidung schmerzerregender EingrifFe die durch Unkenntnis der Furcht ausgezeichnete Periode der ersten Zeit verlangert, dagegen die Haufung derselben sie abkiirzt [P. 120]. Wenn Preyer aber hinzusetzt: „Es gibt aber eine erbliche Furchtsamkeit, welche sich aufsert, sowie sich die Gelegenheit bietet, so macht er sich unzweifelhaft der obenerwahnten Verwechselung der Furcht mit dem Schreck schuldig. Dafs das Kind sogar wahrend der ersten Lebenstage bei plotzlichen starken Reizen erschrickt, wurde schon erwnhnt [371], ebenfalls, dafs derselbe Zustand im hoher](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21272256_0335.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)