Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik.
- Lehmann, Alfr.
- Date:
- 1892
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Credit: Die Hauptgesetze des menschlichen Gefuhls-lebens : eine experimentelle und analytische Untersuchung uber die natur und das Auf-treten der Gefuhlszustande nebst einen Beitrage zu deren Systematik. Source: Wellcome Collection.
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![entwickelten Bewufstsein durcli neue, unbekannte Vorstellungert erzeugt werden kann. Fast allc von Preyer [P. 120—125] an- gefiihrten Beispiele der Furcht wahrend der ersten Kindheit beziehen sich nun gerade auf neue, dem Kinde unverstandliclie Eindrlicke, und es wird sicher berechtigt sein, den durch die- selben hervorgerufenen Aflfekt als Schreck zu bezeichnen. Durcli ihre physiologischen Aufserungen allein wird man die Furcht kaum vom Schreck unterscheiden konnen, teils weil die beiden Affekte einander sehr ahnlich sind, teils weil die Furcht selbst ein wechselndes Aussehen haben kann. Die Sonderung der beiden Zustande ist zunachst durch deren psychische Verschiedenheit zu begriinden, sowie auch durch die Art und Weise, wie die physiologischen Aufserungen zu stande kommen. Dafs dies beim Schreck mittels einer Irradiation der durch den Sinnesreiz im Gehirn hervorgerufenen Bewegung geschieht, wurde bereits nachgewiesen 5 wie sich das Verhaltnis bei der Furcht gestaltet, wird unten besprochen werden. 394. Wenn wir etwas erwarten, wird die Aufmerksamkeit, wie schon gesagt, nicht nur auf einen gewissen Vorstellungsinhalt konzentriert sein, sondern auch auf eine gewisse Handlung oder Bewegung, die ausgefiihrt werden soil, wenn das von der Phantasie Vorausgestaltete Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung wird. Wie man weifs, kann eine solche Bewegungsvorstellung aber nicht existieren, ohne die erhohte Innervation der betreffenden Muskeln herbeizuftihren. Dauert es nun einige Zeit, bis das Erwartete eintritt, so wird die erhohte Innervation ein Bedurfnis der Bewegung erzeugen, das sich durch ein mehr oder weniger sinnloses Umherfahren aufsert, welches die Unruhe des Individuums deutlich verrat. Bleibt das Erwartete noch immer aus, so wachst die Moglichkeit von dessen baldigem Eintreten und somit un- willkiirlich die von dem motorischen Zentrum ausgehende In- nervation; schliefslich mufs die Bewegung im Zentralorgane so stark werden, dafs sie nicht nur nach den willkiirlichen Muskeln Abflufs findet, sondern auch nach anderen motorischen Zentren irradiiert. Und die Erfahrung scheint zu lehren, dafs diejenigen Zentren, von welchen aus die Bewegungen der Blasen- und Darmmuskulatur reguliert werden, am ersten oder leichtesten AngrifFe erleiden, da es namentlich diese vegetativen Organe sind, die wahrend der Erwartung afhziert werden. — Dafs dieser ganze Zustand von Unlust begleitet ist, bedarf kaum naherer Erwahnung.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21272256_0336.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)