Neue Studien ueber Hypnotismus, Suggestion und Psychotherapie / von H. Bernheim ; uebersetzt von Sigm. Freud.
- Bernheim, H. (Hippolyte), 1840-1919.
- Date:
- 1892
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Credit: Neue Studien ueber Hypnotismus, Suggestion und Psychotherapie / von H. Bernheim ; uebersetzt von Sigm. Freud. Source: Wellcome Collection.
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![flussten, die Befugniss an sich reissen, die göttliche Hilfe zur Heilung der Krankheiten herbeizurufen. Die Medicin der Alten war darum ganz in den Händen der Priester. In Aegypten waren sie die einzigen Aerzte, die Einzigen, denen die Götter diese Geheimnisse enthüllt hatten. Magische Formeln und allegorische Worte zur Anrufung gnädiger Genien mussten die Wirkung der Arzneien unterstützen. Bei den alten Hebräern lag die Ausübung der Medicin in den Händen der Leviten, welche die Krankheiten heilten, indem sie den Körper reinigten und Sühnopfer darbrachten. Später war die Kunst des Heilens ein Attribut der Propheten; der Zorn Jehova's schickte epidemische Krankheiten über sein Volk, Brandopfer und Sühnopfer entwaffneten den göttlichen Grimm. Der Wohlklang von David's Harfe besänftigte die Melancholie des Königs Saul. „Dem König Salomon, er- zählt Josephus, hatte Gott die Gabe verliehen, den göttlichen Zorn durch Gebete zu beschwichtigen, und die unreinen Geister aus dem Leibe der Kranken durch Beschwörungen zu verjagen. Dieselbe Heil- methode übt man noch in unseren Tagen. Derselbe Geschichtsschreiber sah in der Armee des Vespasian einen Juden, namens Eleasar, der die Besessenen heilte, indem er ihnen einen Ring in die Nase steckte, in dem ein Stück einer von Salomon gepriesenen Wurzel (Salomons- siegel, Convallaria polygonatum) enthalten war, und der den Teufel durch die magischen Formeln dieses Königs austrieb und ihm verbot, wiederzukehren. Der König Jerobeam sah seinen Arm verdorren, weil er einen Propheten beleidigt hatte, er konnte von dieser Lähmung nicht eher genesen, als bis er den Propheten durch sein Flehen bewogen hatte. Gott um seine Gnade für ihn zu bitten. Während der babylonischen Gefangenschaft mussten die Juden dem Opferdienste wie allen äusserlichen Religionsübungen entsagen; die blutigen Brandopfer wurden durch Gebete ersetzt, und aus den opfernden Priestern wurden Mönche von strengem und beschaulichem Lebenswandel, welche die Krankheiten durch Gebete und durch den Glauben heilten. Bei allen Völkern steht die Heilkunst unter der Herrschaft der religiösen Mystik. Bei den Indern werden die Krankheiten als Wirkungen böser Geister angesehen, sie werden durch vorgeschriebene Reinigungen und durch heilige Worte beseitigt, denen die Kraft inne- wohnt, diese Geister auszutreiben. Bei den alten Griechen waren die Abkömmlinge der Familie des Orpheus gleichzeitig Musiker, Dichter, Astrologen und Aerzte. Orphische Tafeln enthielten die magischen Formeln, welche lange Zeit der Heilung von Krankheiten dienten. Auch die orphischen Hymnen riefen Heilung hervor. In einer derselben wird Herakles in folgenden Worten an- gerufen: Komm, mächtiger Gott, und bringe uns alle die Heilmittel, die unsere Leiden lindern können.Aeskulap heilte durch Worte und Verse eben so sehr als durch Medicamente. Zu deu wenigen vegeta- bilischen Heilmitteln, die er besass, fügte er fast immer jene mj^stischen Gebete oder jene zauberkräftigen Formeln hinzu, die man iKaioöi], 1) Orph. liymn. in Hercul. p. 110.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b24762271_0018.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)