Zur Morphologie : Reisebemerkungen aus Taurien / von Heinrich Rathke.

  • Rathke, Heinrich, 1793-1860.
Date:
1837
    steckt, und kamen nur dann zum Vorschein, wenn ich jenes Organ mit Ge- walt stark ausdehnte. Auch hatte es ganz den Anschein, als sei das erwähnte Organ, wenn es Eier oder Junge enthält, durch eine starke Einschnürung sei- ner Wandung in zwei Hälften getheilt, in eine obere grössere, und in eine untere kleinere und für die Ausbrütung der Eier bestimmte. Beiläufig noch bemerkt, habe ich in keinem Exemplare, das Eier oder Junge in seiner Ver- dauungshÖhle enthielt, in dieser irgend welche gröbere Nahrungsstoffe gewahr werden können. §. 2. In mehrern Exemplaren, die ich am Cap Parthenion [oder Cap Fanari, wie man es auch nennt,] in Gesellschaft des Professors Alex. v.'Nord- mann untersuchte, fand ich in der Verdauungshöhle nur unausgebildete Eier. Sic hatten zwar eine etwas verschiedene Grösse, Form und Farbe, doch ka- men selbst die grössten nicht völlig einem Molmkornc gleich. Die kleinern waren milchweiss, die grösseren schwach rosenroth. Alle aber bestanden aus einem dicklichen feinkörnigen Stoffe und einer einzigen, übrigens sehr dünnen und nicht gekörnten, sondern ganz gleichartig beschaffenen Haut, die jenen Stoff wie die Dotterbaut den Dotter in den Eiern höherer Thiere einschloss und knapp umhüllte. Alle auch waren von zwei Seiten mein- oder weniger stark zusammengedrückt, gleichsam kuchenförmig oder linsenförmig. Die klei- nern oder jüngern w aren verhältnissmässig dicker und erschienen, wenn sie auf einer ihrer platten Seiten lagen, zirkelrund, die grossem waren unregelmässig oval, so nämlich gestaltet, dass ihre Spitze oder ihr dünneres Ende, wenn man eine gerade Achse durch das Ei hindurchgehend dachte, nicht in dieser Achse selbst, sondern etwas seitwärts von ihr lag, und dass nahe jenem Ende der eine Rand des Eies entweder fast geradlinig oder ein w enig ausgeschweift, der gegenüberliegende Rand dagegen mehr oder weniger gewölbt war. (Siche Tab. I. Fig. 12). Ausgenommen den Rand jenes dünnem Endes, war der Rand des übrigen grösseren Theiles mit mehreren sein schwachen Einschnitten versehen, von denen äusserst schwache Furchen etwas krummlinig gegen die Mitte der beiden abgeplatteten Seiten hinliefen, sie aber nicht zu erreichen schie- nen. Von Härchen liess sich ander Oberfläche der Eier unter dem Mikroskope, obgleich sorgfaltigst danach gesucht wurde, selbst bei SOOmaliger Vcrgrösserung im Durchmesser, auch nicht eine Spur bemerken.
    Wenn die grossem dieser eben beschriebenen Eier in reines Brunnen- wasser, oder auch in Meerwasser gelegt waren, fingen sie einige Sekunden nachher an, sich erst sehr langsam und darauf allmälig rascher zu bewegen. Näher angegeben, drehten sie sich, die eine Seite nach oben, die andere nach unten gekehrt, in der horizontalen Ebene etwa gleich einem in einem Mittel- punkte unterstützten und in Schwingungen versetzten Teller, so herum, dass der gewölbte Rand der schmälern Hälfte immer nach vorn gerichtet war, also das Wasser durchschnitt. Nicht selten geschah es auch, dass das Ei plötzlich eine Strecke mit dem dünnem Ende in gerader oder doch beinahe gerader Linie, gleich manchen Infusionsthieren, vorwärts schoss, worauf dann die Drehung wieder auf’s Neue vor sich ging. Uebrigens ward bei diesen Bewegungen keine Veränderung an den Einschnitten und Furchen des Eies bemerkt. — Als dem Vmss'er ein wenig Weingeist zugesetzt w orden war, hatte nicht bloss die Bewe- gung des Eies alsbald ein Ende, sondern es verschwanden auch sogleich die Unebenheiten an der Oberfläche desselben, und es nahm das Ei jetzt die Form einer zirkelrunden Linse, oder auch die eines kurzen regelmässigen Ovales'an. — Die kleinern Eier zeigten, in Wasser gelegt, niemals eine selbstständige Bewegung. Bewegungen, die eine Ortsveränderung zur Folge haben, sind in neuern Zeiten auch an den Keimkörnern vieler niedern Strahlthiere und an den Dottern mehrerer Mol- lusken, wenn sich auf diesen Dottern schon ein Embryo zu bilden begonnen hatte, bemerkt w orden. Man hat nämlich gesehen, dass die Keimkörner von manchen Polypen, Pflanzenthieren und Korallenthieren, w enn sie von dem mütterlichen Or- ganismus in’s Meer entleert waren, sich einige Zeit hindurch selbstständig bew egten und herumschw ammen, bis sie irgendw o für immer sich fest setzten. Den Dot- ter aber, als den Repräsentanten des Keimkornes in einem Eie, oder eigentlich wohl den Embryo mit dem in ihm eingeschlossenen Dotter, hat man in den Eiern von Muscheln und Schnecken zu einer gewissen Zeit des Fruchtlebens sich um seine Achse so lange herumdrehen und sich nach besondern Regeln bewegen gesehen, bis der Embryo schon einen gewissen Grad der Reife er- langt hatte. Die Ursachen dieser Bew egungen sind jedoch für die Embryonen dieser und die Keimkörner jener Thiere ganz verschiedene. Die Keimkörner der oben genamiten Tliiere bewegon sich gleicherweise, wie die der Spongien, oder auch wie viele Infusorien, mittelst Wimpern (Borsten), die über die
    Oberfläche derselben zerstreut stehen und sich in einer fortwährenden regel- mässigen Vibration befinden. Dagegen hat sich an den Embr onen derjenigen Mollusken, welche auf das Phänomen der Bewegung am meisten untersucht worden sind, wie namentlich an denen von Paludina vivipara, Limnaeus sta- gnalis, Unionen und Anodonten, eben so wenig, als an den Keimkörnern von Ascidien, irgend eine Spur von Wimpern oder andern vibrirentfen Auswüch- sen der Oberfläche auffinden lassen. Die Bewegungen derselben müssen dem- nach in etwas ganz Anderm ihren Grund haben, als die der Keimkörner nie- derer Strahlthiere. Wie es mir däucht, so hat darüber schon Carus eine Er- klärung gegeben, *) die der Natur gehörig entspricht und völlig befriedigen dürfte. Seine Ansicht nun aber über die Ursache des erwähnten Phänomens ist in der Kürze angegeben diese, dass Behufs der ersten Athmung ein polares A erhältniss zwischen Embryo und umgebende Eiflüssigkeit eintrete, die %,r Anziehung und Abstossung beruhe, hiedurch aber eben der kleine, leicht be- wegliche, und in einer Flüssigkeit schwimmende Embryo in eine wirbelnde Beweghng versetzt w erde. AYas nun das Keimkorn der Aktinien anlangt, so lässt es dann, wenn es sich in einer I.ebensperiode befindet, da es Ortsveränderungen zu machen im Stande ist, eine ähnlich abgeplattete Form gewahr werden, wie der Em- bryo der Unionen und Anodonten. Daher lässt sich denn auch begreifen, dass seine drehende Bewegung ganz in der Art ausfallen müsse, wie die des Em- bryo’s dieser Muschelthiere. Uebrigens aber lässt sich vermuthen, dass bei ihm, wenn er sich (lieht, die Abstossung des umgebenden Wassers, in das man ihn gelegt hat, nicht bloss von dem Bande der Scheibe , die er dar- stellt, sondern auch von den Kanten, die vom Rande gegen das Centrum hin- laufen, bewirkt werde. Schnellt er sich dagegen, das schmälere Ende vor- wärts gekehrt, eine Strecke in gerader Richtung fort, so mögen dann viel- leicht eine kurze AAeile vorher der convexe Rand eine etwas andere Form, und die von ihm auslaufenden Kanten einen etwas andern Verlauf bekommen haben, so dass an ihnen daim die Richtung der Abstossung eine etwas ver- *) A'erhandlungen der Leopold. Carolinischen Akademie der Xaturforscher. Bd. XVIII. Abth. 1. Seite 27 u. s, w.
    änderte und mit derjenigen, welche an dem concaven Rande Statt findet, correspondirende wird. Ob jedoch eine solche Veränderung der Form dann wirklich vorkommt, ist von mir, als ich die Aktinien untersuchte, nicht ge- hörig beachtet worden. Eben so wenig auch vermag ich mit einiger Si- cherheit anzugeben, ob die Ursache der Bewegung eigentlich auf die Athmung hinzweckt. Anmerkung. Gelegentlich will ich hier noch angeln, dass, wenn ich von einer kurz vorher gefangenen und frisch aufgeschnittenen Aktinie einen ganzen Eierstock, oder auch nur kleinere Stücke eines solchen röhrenförmigen, vielfältig gewundenen und ganz glatten Organes in Wasser, worin sich kleine mikroskopische Schleimflocken oder andere sehr kleine Körperchen befanden, gelegt hatte, an diesen Dingen eine eben solche Bewegung bemerkt wurde, als wenn man junge Froschlarven in ein nicht völlig reines Wasser gelegt hat: denn auch von jenen Theilen wurden dann diese Dinge, wenn sie in flfr Nähe lagen, erst angezogen, und darauf an ihnen ohne Aufenthalt und ziemlich rasch der Länge nach, gleich wie in einem Strome, fort bewegt. Da- gegen boten weder die Fangarnre, noch auch grössere oder kleinere Hautlappen der Aktinie, wenn sie in gleiche Aussenverhältnisse, wie die Eierstöcke gebracht wa- ren, ein gleiches oder auch nur ein ähnliches Phänomen dar. §. 3. In andern Exemplaren der Aktinie fand ich statt der Eier kleine Körper, die sich schon der Mehrzahl nach, oder auch schon alle, als Junge zu erkennen gaben. In einigen waren sie weniger, in anderen mehr ausge- bildet , in jedem aber von ungleicher Grösse. Die kleinsten waren nicht völ- lig so gross, als ein Hirsekorn, jedoch schon bräunlich gefärbt. An den grossem war die Farbe dunkler: von einem solchen blauen Saume aber, wie man ihn an der Grundfläche der alten Exemplare bemerkt, war auch bei ih- nen noch keine Spur zu bemerken. Alle ferner hatten in Hinsicht der Form eine grosse Aehnlichkeit mit Pomeranzen, indem sie rundliche und an zwei einander gegenüber liegenden Stellen abgeplattete Körper darstellten. Doch war an den kleinern die Abplattung auffallender, als an den grossem, obschon nicht so bedeutend, als an den Eiern, die ich im vorigen Paragraphen be- schrieben habe. An den kleinsten konnte ich nirgends eine Oeffnung bemer- ken, auch schienen sie nicht hohl zu sein. An andern aber befand sich in der Mitte der einen Abplattung eine sehr kleine Grube, oder vielmehr eine
    Oeffnung, die in eine Höhle führte, und die nicht bloss absolut, sondern auch relativ am kleinsten bei den weniger grossen Früchten war. Die ihr gegenüber liegende andere Abplattung war nicht grösser, als die er- stere, und bildete mit der Seitenwand der Frucht noch keine solche scharfe Kante, als es bei den Erwachsenen der Fall ist, so dass also auch noch keine solche Saugscheibe, als bei diesen, vorhanden war. Uebcrdiess war die untere oder die der angegebenen Oeffnung, dem Munde, gegenüber liegende Wand solcher Früchte, welc% deutlich schon eine Höhle im Innern erkennen Hessen, sehr dünne und halb durchsichtig, anstatt dass die Seitenwand be- deutend dick und ganz undurchsichtig war. Nachdem die Jungen einige Minu- ten in frischem Wasser gelegen hatten, zogen sie die Seitenwand gewöhnlich an zwei einander gegenüber liegenden Stellen so zusammen, dass sie, von oben angesehen, beinahe die Form eines massig laug gestreckten Ovales an- nahmen. Dabei wurde die untere oder halbdurchsichtige «Wand ganz ein- wärts gebogen, so dass es auf den eisten Anblick schien, als wäre an der untern Seite des Thiercliens eine spaltförmige Oeffnung entstanden. Eine dre- hende Bewegung aber habe ich niemals an den jungen Aktinien, die aus dem Magen der Mutter herausgenommen und in Wasser gelegt waren, bemerken können. Die Scitenwandung zeigte bei fast allen diesen Früchten, wenn ich sie nach Eröffnung des Magens der Mutter zu Gesiebte bekam, mehrere sehr schwache Querfurchen, die meistens vollständige Ringe darstellten: von Längs- furchen aber, die von der einen Abplattung zur andern herübergegangen wä- ren, habe ich an ganz frischen Jungen niemals auch nur eine Andeutung be- merken können. Allenthalben bestand die Leibeswand aus zwei verschiedenen einander dicht anliegenden und mit einander verwachsenen Schichten, einer äussern bräunlichen, dickem, weichem, fast gallertartigen und ganz undurchsichtigen, und aus einer innern, sehr dünnen, zarthäutigen, aber viel festem. Die letz- tere schien allenthalben eine ziemlich gleiche Dicke zu haben, die erstere war dagegen an der untern W and der Frucht, oder an der nachherigen Saugscheibe, sehr dünne, in der Mitte der Seitenwandung aber beträchtlich dick und da- selbst überhäuft am dicksten. — Bei den grössten dieser Früchte, bei sol-