Volume 1
Grundzüge der physiologischen Psychologie / von Wilhelm Wundt.
- Wundt, Wilhelm Max, 1832-1920.
- Date:
- 1893
Licence: Public Domain Mark
Credit: Grundzüge der physiologischen Psychologie / von Wilhelm Wundt. Source: Wellcome Collection.
Provider: This material has been provided by King’s College London. The original may be consulted at King’s College London.
600/624 (page 582)
![• 582 Gefiihlston der Eniplindung, die Disposition der Temperamente. Man hat wegen dieser Beziehune der Gemeingefühle zu unserm subjectiven Sein und Befinden die sinnh'chen Gefühle überhaupt als die subjective Seite der Empfindungen aufgefasst und sie so der Intensität und Qualität als den objectiven Bestimmuneen derselben gegenübergestellt'). Dieser Gegensatz kann aber unmöglich ein ursprünglicher sein, da das Selbstbewusstsein, welches erst jene Unter- scheidung vollzieht, aller psychologischen Beobachtung zufolge ein gewor- denes ist. Man mtisste also annehmen, das Gefühl sei ebenfalls nichts ursprüngliches, sondern mit dem Selbstbewusstsein entstanden. Doch dem widerstreitet einerseits die Thatsache, dass Mensch und Thier in noch un- entwickelten Zuständen unverkennbare lebhafte Gefühlsäußerungen wahr- nehmen lassen, anderseits die Beobachtung, dass die Entwicklung des Selbstbewusstseins sogar wesentlich durch sinnh'che Gefühle bestimmt und gefördert wird 2]. 4. Physische Begleiterscheinungen der sinnlichen Gefühle. Die sinnlichen Gefühle sind gleich den Empfindungen, an die sie ge- bunden sind, psychophysische Zustände. Jedem' Gefühl entspricht demnach eine von seiner Qualität und Intensität abhängige körperliche Veränderung, die, falls sie sich in äußeren Symptomen verräth, zur ob- jectiven Charakteristik des Gefühls dienen kann. Aber während bei den übrigen Bestandtheilen der Empfindung der begleitende physische Vor- gang, wenigstens so weit er für uns nachweisbar ist, auf die periphe- rischen und centralen Theile des betrefTenden Sinnesapparates sich be- schränkt, entspricht dem Gefühlston stets eine ausgebreitetere, in seinen Wirkungen oft über den ganzen Organismus sich ausdehnende Inner- vationsänderung. Auch hier sind freilich unserer Untersuchung nur ge- wisse äußere Wirkungen dieser Aenderung zugänglich. Aber die Be- schaffenheit derselben lässt annehmen, dass die physiologische Seite der Gefühlsprocesse stets in centralen Erregungs- und Hemmungsvorgängen besteht, die weit über das Sinnesgebiet, welchem die Empfindung an- gehört, hinausreichen und namentlich auf die Centren der Gefäß- und Herzinnervation sowie der allgemeinen motorischen Innervation übergreifen. Die Hauptunterschiede dieser Innervationswirkungen sind von dem Lust- oder Unlustcharakter der Gefühle abhängig; doch zeigen selbst die ver- hältnissmäßig rohen Prüfungsmittel, die uns hier zu Gebote stehen, dass i\ Lehrbuch der Psychologie. ßerliiH854. S. 70, 2) Siehe Abschnitt IV, Cap. XV.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21293788_0001_0600.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)