Volume 1
Grundzüge der physiologischen Psychologie / von Wilhelm Wundt.
- Wundt, Wilhelm Max, 1832-1920.
- Date:
- 1893
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Credit: Grundzüge der physiologischen Psychologie / von Wilhelm Wundt. Source: Wellcome Collection.
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![Da ähnliche physische Erscheinungen, wie wir sie bei den sinnlichen Gefühlen beobachten, auch bei allen zusammengesetzteren Gefühlen sowie bei den aus ihnen entspringenden Affecten vorkommen, so liegt endlich in diesen Begleiterscheinungen der Gefühle der Anlass zur Ausbildung fester Associationen der vejrwickelteren Gemüthsvorgänge mit den einfachen sinnlichen Gefühlen. Indem ferner an die motorischen und vasomotorischen Innervationsünderungen ebenfalls sinnliche Gefühle geknüpft sind, ver- binden sich diese nicht nur mit dem Gefühlston der Empfindungen, zu denen jene Gefühlsreactionen hin/Aitreten, sondern auch mit allen andern zusammengesetzteren Gemüthszustünden. Darum müssen sich aber die letzteren ihrerseits schon vermöge dieser physiologischen Begleiterschei- nungen nothwendig zugleich mit sinnlichen Gefühlen verbinden. Während die ältere Psychologie geneigt war, die Gefühle wegen des sub- jecliven Charakters, den wir ihnen im Unterschiede von den als Bestaiidtheiie von Vorstellungen auf Objecte bezogenen Empfindungen beilegen, als rein psy- chische Vorgänge anzusehen, denen keinerlei physische Processe entsprechen sollten, ist man in neuerer Zeit im allgemeinen bestrebt gewesen, das Princip des psychophysischen Parallelismus auch hier zur Durchführung zu bringen. Theils die deutlichen Wirkungen der Affecte auf die äußeren Körperbewegungen, theils die starken körperlichen Rückwirkungen von Reizen, die mit intensiven Schmerzgefühlen verbunden sind, schienen ohnehin hierauf hinzuweisen. Aber eine wirkliche Nachweisung war hier doch erst in dem AugenbHck möghch, wo man Hülfsmittel anwandte, die es gestatteten, die physischen Symptome auch der schwächeren Gefühle, die der unmittelbaren Beobachtung entzogen sind, weil sie sich nicht in mimischen und pantomimischen Bewegungen äußern, nachzuweisen. Dies geschah, als man die feineren sphygmometrischen und pneumatometrischen Apparate der neueren Physiologie auf das Studium zunächst der Affecte und dann auch der Gefühle anwandte. Ein besonderes Verdienst gebührt hier A. Mosso, der mit Hülfe des Plethysmographen zuerst eine genauere physiologische Diagnostik der Hauplaffecte lieferte^). Ch. FfiRE^j fügte dann hierzu die Feststellung des Zustandes der willkürHcben Muskeln in Folge der Wirkung von Gemüthsbewegungen mit Hülfe von Dynamometermessuogen, ein Verfahren, das freiUch unsicherer ist und namentlich nicht, wie die Untersuchung des Zustandes der Kreislaufs- und Athmungsorgane, unmittelbar dem Verlauf der Gefühle und Affecte zu folgen vermag. SchließHch wurde von Lehmann 3] diese ganze Untersuchung auf die einfachen Gefühle verschiedensten Ursprungs aus- gedehnt und dabei namentlich auf den Einfluss der verschiedenen Stadien des Ausdrucks der Unlustgefühle und auf die Wirkung der Athmungsslörungen, sowie auf die vasomotorischen Effecte der Unlustgefühle Rücksicht genommen. 1) A. Mosso, Ueber den Kreislauf des Blutes im menschlichen Geliirn. Leipzig 1881. Die Furcht. Deutsche Ausg. von Finger. Leipzig <889. 2) Gh. F^:re, Sensation et Mouvement. Paris 4 887. Revue Phil. XX, p. 337. 3) Alfr. Lehmann, Die Hauptgesetze des menschlichen Gefühlslebens. Leipzig 4 892.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21293788_0001_0604.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)