Gerichtlich-medicinische Untersuchungen über das Skopzenthum in Russland : nebst historischen Notizen / von E. Pelikan ; mit Genehmigung des Verfassers aus dem Russischen in's Deutsche übersetzt von Nicolaus Iwanoff.
- Pelikan, E. (Evgenīĭ), 1824-1884
- Date:
- 1876
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Credit: Gerichtlich-medicinische Untersuchungen über das Skopzenthum in Russland : nebst historischen Notizen / von E. Pelikan ; mit Genehmigung des Verfassers aus dem Russischen in's Deutsche übersetzt von Nicolaus Iwanoff. Source: Wellcome Collection.
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![io) In der Folge jedoch, und zwar im Jahre 1858, forderte der verftorbene Graf Lanskoi bei Durchficht der oben erwähnten (Journal vom 23. Februar 1854, Nr. 78) aus Anlass des irrthümlichen ärztlichen Gutachtens in Betreff des Skopzenthums des Bauern Sfemen K. (S. Punkt 5) verfassten Beftimmung des Medicinalraths den letzteren auf: »Die Angelegenheit bezüglich der Befichtigung des Skopzenthums verdächtiger Perfonen von Neuem durchzufehen, und den Aerzten ausführliche Vorfchriften und Erläuterungen darüber zu geben: welcher Art Be- fchädigungen Männern und Frauen eigenthümlich find, und in wie weit diefelben auf die Befruchtung mehr oder weniger einwirken.« Der Medicinalrath trug einer aus feinen Mitgliedern gewählten Commiffion (Otfolig, Rofen- berger, Kosloff und Pelikan, Berichterftatter) auf, diefe Frage einer vorläufigen Durchficht und Prüfung zu unter- ziehen; das von der genannten Commiffion abgegebene Gutachten ward vom Confeil gebilligt, ^ und dem Minifter zur Kenntniss gebracht. Der wirkliche Geheime Rath Lanskoi, im Begriff, die in den Journalen vom 23. Februar 1854 und 18. November 1858 (S. oben Punkte 5 und 10) dargelegten Befchlüffe des Medicinalraths den Medicinalverwal- tungen und den ihnen untergeordneten Aerzten als obligatorifch vorzufchreiben, wandte fich zunächft an den Ober- dirigirenden der II. Abtheilung der Höchfteigenen Kanzlei Seiner Kaiferlichen Majeftät mit der Anfrage: »Ob nicht einer derartigen Anordnung, in Erwägung der Grundfätze, welche bei der Redaktion des zu veröffentlichenden neuen Criminalgefetzbuchs über peinliche und Befferungsftrafen vorwalten, Hinderniffe irgend welcher Art entgegen- ftänden? — Hierauf erwiderte Graf Bludoff, dass er »in der Vorfchrift des Medicinalrathes über die Abfaffung der ärztlichen, die Caftration betreffenden, Gutachten nichts gefunden hätte, was den Grundprinzipien des Criminal- rechts und des Gerichtsverfahrens widerfpräche, denen zufolge man, von der Thatfache der Befchädigung abge- fehen, auch die Abficht, in der diefelbe gefchehen, in Betracht ziehen müffe; nur könne er fich mit der Einfendung der medicinifchen Atteftate von Seiten der Medicinalverwaltungen an das Medicinal-Departement (Confeil-Journal vom 23. Februar 1854) nicht einverftanden erklären, da dadurch die Führung der Proceffe unvermeidlich erfchwert werden müffe. Graf Bludoff meinte, es wäre zweckmässiger, erwähnte Plinfendung auf zweifelhafte Fälle zu be- fchränken, und in einer Spezial-Inftruktion diejenigen Fälle zu bezeichnen, in denen die Berichte über die vom Arzte angeftellte Berichtigung von den Medicinalverwaltungen an das Medicinifche Departement und Confeil zur Revifion eingefandt werden müssten.« Der Medicinalrath fand, dass durch die Meinungserklärung des Grafen Bludoff' die Frage vollkommen entfchieden fei und dass den Medicinalverwaltungen die vom Medicinalrathe ^ ausgearbeitete Vorfchrift über die gerichtlich-medicinifche Unterfuchung der des Skopzenthums verdächtigen Männer und Frauen, deren Grundfätze Seitens des Grafen Bludoff als mit den Grundprinzipien des Criminalrechts und der Process- führung übereinftimmend befunden worden, durch ein Cirkulair zur Kenntniss zu bringen fei. ^ In Folge deffen erging nach Uebereinkunft mit der II. Abtheilung der Höchfteigenen Canzlei Seiner Kaiferlichen Majeftät und dem Juftizminifterium ein Rundfehreiben an die Gouvernements-Chefs folgenden Inhalts:^ »Der Medicinalrath hat es für nothwendig erachtet, die Aerzte zu verpflichten, bei Befichtigung von Perfonen, die der Angehörigkeit zur Skopzenfekte verdächtigt find, fowohl männlichen als weiblichen Gefchlechts, ihre Aufmerk- famkeit auf die Spuren von Verletzungen der Zeugungsorgane zu richten, fie in aller Ausführlichkeit zu befchreiben, unabhängig davon, ob in Folge diefer Verletzungen die Fähigkeit zur Kinderzeugung aufgehoben ift oder diefelbe fortbeft.eht, des Weiteren aber fich einer Schlussfolgerung darüber, ob die betreffende Perfon Skopze oder Nicht fkopze fei, zu enthalten, und die Entfeheidung diefer Frage den Inftanzen zu überlaffen, denen die Durchficht und Beurtheilung aller übrigen juridifchen Daten, welche dazu nöthig find, um die der Befichtigung unterworfene Perfon als zu der Skopzenfekte gehörig an zu erkennen, obliegen. In Fällen aber, wo die gerichtlichen Inftanzen oder die Unterfuchungsrichter auf Missverftändniffe oder Zweifel bei der Beftimmung der Befchädigiingen feitens der die Fähigkeit zur Begattung entweder ganz aufheben oder fie wenigftens l'chwächen. Da die Gelegenheit zur Unterfuchung folcher verllümnielten Organismen aber nach deren Tode den Aerzten nicht geboten ift, fo war auch die Wilfenfehaft ausser Stand gefetzt, fowohl fäinmtliche Ver- fahrungsweifen bei den Befchädigungen am weiblichen Organismus, um die Befruchtung des Weibes hintanzuhalten, als auch die Folgen, welche diefe Operationen fpeciell auf die gefchlechtlichen Verrichtungen hätten ausüben follen, mit Sicherheit zu ])räcifiren.“ * Journal vom 18. November 1858, Nr. 535- — Diefes Gutachten, auf dem zu jener Zeit in unfern Händen befindlichen Material, fowie auch auf unferen eigenen und von andern Mi'.gliedern des Medicinalraths angeftellten Beobachtungen bafirend, enthält eine ausführliche Be- fchreibung von Fällen fowohl glaubwürdiger, wahrfcheinlicher, als auch zweifelhafter Caftrationen (bei Frauen), Gegenwärtig find wir, nachdem wir Gelegenheit gehabt, uns mit faft allen Rechtsfachen in Betreff der Skopzen in allen Verwaltungszweigen vertraut zu machen und wir jetzt auf eigenen Beobachtungen und den Ergebnifl’en der Experimental-Unterfuchungsmethode fussen können, in der Eage, unfere frühere Anficht über diefen Gegenftand vielfach zu erweitern und in mancher Beziehung fogar umzuändern. ^ Journal vom 1. Auguft 1861, Nr. 382. ^ Ciikulair des Minifteriums des Innern vom 13. April 1862, Nr. 49.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b22413352_0009.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)