Psychopathia sexualis : mit besonderer Berucksichtigung der contraren sexualempfindung. Eine Klinisch-forensische studie / von R.V. Krafft-Ebing.
- Richard von Krafft-Ebing
- Date:
- 1892
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Credit: Psychopathia sexualis : mit besonderer Berucksichtigung der contraren sexualempfindung. Eine Klinisch-forensische studie / von R.V. Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.
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![Die gezüchtete, nicht krankhafte Päderastie l). Die Motive, die einen sexuell ursprünglich normal fühlenden, geistig gesunden Mann zur Päderastie gelangen lassen, können ver- schiedenartig sein. Temporär kommt sie vor als Mittel der sexuellen Befriedigung faute de mieux — gleichwie in seltenen Fällen Bestia- lität — bei erzwungener Abstinenz vom normalen Geschlechts- genuss2). Derlei kommt vor auf Schiffen mit langer Fahrzeit, in Gefängnissen, Bagnos u. s. w. Höchst wahrscheinlich befinden sich unter der betr. Gesellschaft einzelne Menschen mit tiefer Moral und mächtiger Sinnlichkeit, oder auch wirkliche Urninge, die zu Ver- führern der Anderen werden. Wollust, Imitationsdrang, Habsucht tragen das Ihrige bei. Bezeichnend für die Stärke des sexuellen Triebs bleibt es immerhin, dass solche Triebfedern genügen, um die Scheu vor dem widernatürlichen Akt überwinden zu lassen. Eine andere Kategorie von Päderasten stellen alte Wollüst- linge dar, die in normalem Geschlechtsgenuss übersättigt sind, darin ein Mittel finden, ihre Wollust aufzukitzeln, indem der Akt einen neuartigen Reiz darstellt. Damit helfen sie temporär ihrer psychi- schen und somatischen, tief gesunkenen Potenz auf. Die neuartige geschlechtliche Situation macht sie sozusagen relativ potent und ermöglicht Genüsse, die ihnen der sexuelle Umgang mit dem Weib nicht mehr zu bieten vermag. Mit der Zeit erlahmt auch die Po- tenz für den päderastischen Akt. Dann kann der Betreffende zu passiver Päderastie kommen als Reizmittel für die temporäre Er- möglichung der aktiven, gleichwie gelegentlich zu Flagellätion, Zu- schauen bei obscönen Scenen (Maschka's Fall von Thierschändung!) gegriffen wird. l] Interessante histor. Notizen e. Krauss, Psychol. des Verbrechens, p. 174; Tardieu, Attentats; Maschka, Hdb. III, p. 174. Das in Rede stehende Laster scheint aus Asien über Kreta nach Griechenland gekommen und in der Zeit des klassischen Hellas allgemein verbreitet gewesen zu sein. Von da kam es nach Rom, wo es üppig gedieh. Tn Persien, China (wo es sogar tolerirt ist) ist es sehr verbreitet, aber auch in Europa (vgl. Tardieu, Tarnow sky u. A.). 2) Dass sexueller Verkehr mit dem eigenen Geschlecht auch bei zur Abstinenz genöthigten Thieren vorkommt, geht aus Zusammenstellungen von Lombroso (Der Verbrecher, übers, v. Frünkel, p, 20 u. ff.) hervor.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21017189_0428.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)