Psychopathia sexualis : mit besonderer Berucksichtigung der contraren sexualempfindung. Eine Klinisch-forensische studie / von R.V. Krafft-Ebing.
- Richard von Krafft-Ebing
- Date:
- 1892
Licence: Public Domain Mark
Credit: Psychopathia sexualis : mit besonderer Berucksichtigung der contraren sexualempfindung. Eine Klinisch-forensische studie / von R.V. Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.
Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.
435/450 (page 421)
![8. weist alle daraus erflossenen Verdächtigungen entrüstet zurück, stützt ßich auf sein ehrenhaftes Vorleben, seine gute Erziehung, auf den Um- stand, dass Gr. damals mit einer ekelhaften, ansteckenden Krankheit behaftet war und S. selbst an einer schmerzhaften Krankheit (Nierensteine mit zeitweiser Kolik) litt. Gegenüber dieser harmlosen Darstellung des S. müssen aber folgende gerichtlich constatirte und bei der ersten Urtheilsschöpfung verwerthete That- sachen berücksichtigt werden. Das Verhältniss des S. zu G. hatte sowohl bei Privatpersonen als auch in Wirthshäusern seiner Anstössigkeit halber Anlass zu Bemerkungen gegeben. G. brachte meist die Abende im Familienkreise des S. zu. wurde zuletzt ganz heimisch daselbst. Die Beiden machten gemeinschaftliche Spaziergänge. Auf einem solchen äusserte sich einmal S. zu G., er sei ein hübscher Junge, er habe ihn lieb. Damals war auch von geschlechtlichen Ausschweifungen, u. a. von Päderastie die Rede. S. will dieses Thema nur berührt haben, um den G. davor zu warnen. Bezüglich des häuslichen Verkehrs ist erwiesen, dass S., auf dem Sopha sitzend, den G. bisweilen um den Hals nahm und küsste. Dies geschah sowohl in Gegenwart der Frau des 8 als auch des ]ii mädchens. Als G. an Gonorrhöe krank war. unterrichtete ihn S. in der \n Wendung der Einspritzungen und nahm dabei dessen Glied in die Hand <•- gibt an, dass 8. auf seine Frage, warum er ihn so lieb habe, erwiderte: »Ich weiss es selbst nicht. Wenn G. einige Tage ausblieli, beklagte rieb S. mit Thränen in den Augen, wenn er wiederkam., darüber. Auch theilte ihm 8. mit, seine Khe sei keine glückliche, und bat G. unter Thränen, er möge ihn nicht verlassen, er müsse ihm Ersatz für seine Frau bil Aus all dem folgerte die Anklage mit Berechtigung, dass das Ver! niss zwischen den beiden Angeklagten eine geschlechtliche Richtung hatte. Dass Alles öffentlich und von Jedermann erkennbar geschah, spricht nach der Anklage nicht für die Harmlosigkeit des Verhältnisses, sondern vielmehr für die Höhe der Leidenschaft des S. Zugegeben wird das makellose Vorleben des Angeklagten, sein ehrenhaftes Verhalten und sein weiche Qemfltb Wahr- scheinlich gemacht wird das nicht glückliche eheliche Verhalte • und dass er eine sinnlich angelegte Natur sei. G. wurde im Laute der Untersuchung wiederholt gerichtsärztlich ex- plorirt. Kr ist von kaum mittlerer Grösse, bla- htsfarbe, kräftigem Körperbau. Penis und Hoden sind sehr kraftig entwickelt. Uebereinstimmend wurde gefunden, das- der Uter durch Kaltenlosigkeit in seiner Umgebung, Erschlaffung des Schliessmuskels krankhaft verändert sei und dass diese Veränderungen einen Wahrscheinliclikeit-s. hlu-s auf passive Päderastie gestatten. Auf diese Thatsachen gründete sich die Urtheilsschöpfung. Sie erkannte an, dass das zwischen den Angeklagten bestandene Verhältniss nicht mit Not- wendigkeit auf widernatürliche Unzucht hinweise, ebensowenig der an G. fest- gestellte körperliche Befund für sich allein diesen Beweis liefere. \,i- der Verbindung jener beiden Momente gewann .jedoch der Gerichts- hof die rjebeneugung von der Schuld der beiden Angeklagten und erachtete für erwiesen: .dass der abnorme Zustand am After des G. durch das längere Zeit hindurch fortgesetzte Einführen des Gliedes des Angeklagten S. in den-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21017189_0435.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)