Myxödem und Kretinismus / von J. Wagner v. Jauregg.

  • Wagner-Jauregg, Julius, 1857-1940
Date:
1912
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Credit: Myxödem und Kretinismus / von J. Wagner v. Jauregg. Source: Wellcome Collection.

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    von Marchand gefunden, in dem die Erkrankung erst nach dem 2. Lebens- jahre aufgetreten sein soll. Es muß also die Frage, ob der die Schilddrüsen schädigende Prozeß in den Fällen von Thyreoaplasie, d. h. kongenitalem Myxödem und von infantilem Myxödem ein vollkommen wesensverschiedener ist oder nicht, als eine noch nicht vollkommen spruchreife bezeichnet werden. Bei den anscheinend erworbenen Fällen von sporadischem Kretinismus geht mit auffallender Häufigkeit dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome irgend eine fieberhafte Infektionskrankheit voraus: Scharlach, Masern, Röteln, Keuchhusten, Diphtherie usw. Bushton - Parker (257) hat mehrere der- artige Fälle zusammengestellt. Ferner berichten solche Fälle Smith Hugh (258), Shields (259), Tanzi (260). Diese Beobachtungen lassen daran denken, daß eine akute nichteitrige Thyreoiditis, die sich nach den gründlichen Untersuchungen von de Quervain (261) nicht selten an akute Infektionskrankheiten anschließt, das Bindeglied zwischen Infektionskrankheit und der dem Kretinismus zugrunde liegenden Schilddrüsenschädigung darstellen könnte. Die erschöpfende Erklärung kann dies allerdings nicht sein. Denn ganz dieselben Beziehungen zwischen Infektionskrankheit und Schilddrüsenschädigung finden wir, wie bereits erwähnt, nicht selten bei Fällen von endemischem Kre- tinismus. Da muß aber in der Theorie der Erkrankung noch Raum für die Ent- faltung des endemischen Faktors bleiben. Auch würde die bloße Annahme einer nichteitrigen Thyreoiditis nicht erklären, warum wir beim sporadischen Kre- tinismus so vorwiegend hochgradige Hypofunktion der Thyreoidea, beim endemischen aber häufig auch mittlere Grade derselben finden; ferner, warum es beim endemischen Kretinismus so häufig zum Kropf kommt, beim spo- radischen anscheinend nie. Ob auch bei den Fällen von angeborener Thyreoaplasie die Schädigung der Schilddrüse respektive ihrer fötalen Anlage auf einem ähnlichen Wege zustande kommen kann, wie de Quervain in Anlehnung an Combe und Rie meint, muß dahingestellt bleiben. Von ätiologischen Momenten wird auf hereditäre Veranlagung besonders von Bourneville hingewiesen. Konsanguinität der Erzeuger spielte in einigen Fällen eine Rolle [Bourneville (262), Wagner v. Jauregg (118), Marfan und Guinon (253)]. Interessant ist, daß Pope und Clarke (263) bei dem Vater eines an sporadischem Kretinismus leidenden Mädchens Akromegalie konstatierten. Therapie. Die Behandlung des Myxödems durch Zuführung von Schilddrüsen- substanz hatte, wie schon erwähnt, sofort auch zu analogen Behandlungs- versuchen beim sporadischen Kretinismus geführt. Die Erfolge dieser Behandlung waren überraschend, so daß die Methode bald sehr große Verbreitung gewann; nachdem man zuerst Transplantationen von Schilddrüsen versucht hatte, ging man zur Injektion von Schilddrüsensaft oder Extrakten der Drüse, dann zur Fütterung mit der rohen Drüse und endlich zur Verabreichung von Schild- drüsentabletten über.