Über die Grundlagen der optischen Lokalisation nach Höhe und Breite / von A. Tschermak.
- Armin von Tschermak-Seysenegg
- Date:
- 1905
Licence: In copyright
Credit: Über die Grundlagen der optischen Lokalisation nach Höhe und Breite / von A. Tschermak. Source: Wellcome Collection.
Provider: This material has been provided by UCL Library Services. The original may be consulted at UCL (University College London)
50/98 (page 540)
![Die reguläre Divergenz der Längsmittel schnitte nimmt wohl bei der Mehrzahl der Menschen beim Nahesehen zu, also mit der Innervation von Konvergenz und Akkommodation und zwar gleichmässig für beide Augen (Volkmann, Hering, Helmholtz — Abnahme der Divergenz hingegen zeigten nach Dobrowolsky (29) 14 Personen unter 20 Untersuchten). Der- selbe Effekt tritt ein bei Hebung des Blickes, während Senkung eine Ab- nahme der Divergenz, ja schliesslich einen Umschlag in Konvergenz bewirkt (Hering, Helmholtz, Landolt, Donders, — desgleichen bei Dobro- wolsky trotz des gegenteihgen Einflusses von Akkommodation und Konver- genz). Eine Tabelle, welche den Einfluss der Blicklage auf die Orientierung der Netzhäute zahlenmässig illustriert, hat Landolt (71) gegeben (abgedruckt von Zoth in Nagels Handbuch der Physiologie 3, 316). Er fand an sich selbst Wachstum von -)- 30' bei 0^ Konvergenz bis +6^50' bei 30° Konver- genz, bis -f 16^30' bei 30^ Konvergenz und 25^ Hebung, Abnahme bis — P 5' bei 0° Konvergenz und 40*^ Senkung. Einen Fall von ausnehmend hochgradiger Diskrepanz zwischen Längs- mittelschnitt und Lotmeridian repräsentiert J. Meiler (107), (ca. 14^, am Volk- mann sehen Haploskop gemessen). Der Fall ist dadurch besonders interessant, dass unter den gewöhnlichen Bedingungen des Sehens die beiden Lotmeridiane durch Anpassung die Empfindung ,,rein vertikal (ohne stereoskopischen Effekt d. h. ohne scheinbares Vor- oder Zurücktreten des oberen oder unteren Endes) für ein wirkhch lotrechtes Objekt vermitteln. Dieser Eindruck gilt sogar auch bei unbehindertem Binokularsehen für ein einzelnes leuchtendes Lot im Dunkeln. Einäugig betrachtet erscheint jedoch eine lotrechte Linie nur dann vertikal, wenn noch andere umgebende Objekte von bekannter Orientierung sichtbar sind. Ebenso erscheint ein an jener Lichtlinie gewonnenes Nachbild des einen Auges schief, sobald dieses Auge geschlossen und nun mit dem anderen Auge fixiert wird (M. Sachs und J. Meiler [107]). Das anpassungs- weise Vertikalerscheinen oder ,,Richtigsehen wirklich lotrechter Objekte trotz der Abweichung der Längsmittelschnitte besitzt zweifellos eine hohe Bedeu- tung für die optische Orientierung im praktischen Leben (vergl. Tschermak [130], S. 10—11). Die im Vorstehenden geschilderte Inkongruenz der Netzhäute ist nicht etwa einfach die Folge davon, dass die Netzhaut fehlerhaft zur Gesichtslinie orientiert wäre, also die Bulbi im Sinne von gegensinniger Raddrehung oder Rollung aus der richtigen Stellung abwichen. Die Zunahme der Diskrepanz beim Nahesehen ist allerdings ausschhesslich durch diesen Umstand bedingt, ebenso die zeitlichen Schwankungen der Diskrepanz bei einem und dem- selben Beobachter. Beim Fernsehen aber zeigt sich, dass der funktionellen Quadrantenteilung der Netzhaut selbst sozusagen ein Fehler anhaftet. Im Gegensatze zur Abweichung von Vertikal und Lotrecht erweist sich nämlich die subjektive Horizontale bei Primärstellung als mit der objektiven Wag-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21641432_0052.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)