Über die Grundlagen der optischen Lokalisation nach Höhe und Breite / von A. Tschermak.
- Armin von Tschermak-Seysenegg
- Date:
- 1905
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Credit: Über die Grundlagen der optischen Lokalisation nach Höhe und Breite / von A. Tschermak. Source: Wellcome Collection.
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![Nach dem oben Gesagten ist wohl an der Tatsache der Diskrepanzen, d. h. am Bestehen von Unterschieden zwischen objektiver Lagebeziehuug und subjektiver LokaHsationsweise, zwischen der geometrischen Einteilung der Netzhaut und der funktionellen Differenzierung ihrer einzelnen Elemente nicht zu zweifeln Aus dieser Erkenntnis, welche immer mehr zu festigen und im Detail auszubauen gewiss eine würdige Aufgabe von Experimental- untersuchungen ist, ergibt sich als Konsequenz eine physiologische Auf- fassung der Diskrepanzerscheinungen und damit unseres Lokalisierens nach Höhe und Breite überhaupt. Eine solche muss aber die Grundlage für diese räumhchen Qualitäten unserer Gesichtsempfindungen in einer besonderen physischen Einrichtung und Differenzierung der einzelnen Elemente der Netz- haut bezw. des Sehorgans erbhcken, für welche der alte Lotzesche Ausdruck ;,Lokalzeichen^^ gewiss am einfachsten erscheint. Die damit bezeichnete physio- logische Qualität der Mosaikgheder bestimmt meines Erachtens zunächst nur die relative Anordnung der dadurch vermittelten optischen Eindrücke, die relative Lokalisation. Die retinalen Lokalzeichen bedeuten zu- nächst nur Ordnungswerte, sie entsprechen an sich nicht be- stimmten Abstands- oder Grössen werten. Das vielfältige Variieren der Grössenwerte, des sogenannten Massstabes im Sehfelde tut dies mit Klar- heit dar. Erscheint doch die Mosaik unserer optischen Eindrücke gleichsam auf einem elastischen Grunde gezeichnet, welcher in seinen Radien sowohl gleichmässig, als auch ungleichmässig dehnbar wie schrumpfungsfähig wäre. Ein gedrucktes Muster auf einer Gummischeibe mag diesen Vergleich noch sinnfälliger gestalten. Die nach den einzelnen Badien abgestufte, aber nicht ganz gleichmässig fortschreitende Differenzierung wurde bereits oben dadurch illustriert, dass dieser noch durch ein Schema veranschauhchten funktionellen Gliederung der Netzhaut (siehe Fig. 3) die morphologische Gliederung eines Blütenstandes, speziell des Blütenkörbchens einer Komposite (siehe Fig. 4), zur Seite gestellt wurde. 1) Feilchen feld (36) führt die konstanten Fehler bei Teilung horizontaler und vertikaler Strecken auf die asymmetrische Form des einäugigen Sehfeldes zurück, auf dessen relativ weite Erstreckung nach aussen und nach unten. Dass diesem Faktor jedoch keine wesent- liche Bedeutung zukommt, beweist u. a. schon das Fortbestehen der Streckentäuschungen bei Beobachtung durch eine Röhre oder bei Verwendung heller Punkte im dunklen Raum, ferner die Horopterabweichung bei binokularem Sehen, nicht minder die Gesamtheit der Richtungs- diskrepanzen. — Die von Axenfeld-Perugia (Neuro!. Zentralbl. 1894), sowie von H. Liep- mann und E. Kalmus (Berl. klin. Wochenschr. Jg. 37, Nr. 38, S. 838-842, 1900) beschriebene Augenmassstörung bei Hemianopikern — Überschätzung des nach der Defektseite liegenden Streckenteiles — bedarf noch der weiteren Aufklärung (vergl. Feilchenfeld [36], S. 414—420, ferner Löser, Arch. f. Augenheilkde., März 1902). Im übrigen sei bemerkt, dass auf das Verhalten des Augenmasses bei bewegtem Blick in dem vorliegenden Aufsatzenichteingegangenwird.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21641432_0064.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)