Volume 1
Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert.
- Max Ebert
- Date:
- 1924-32
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Credit: Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert. Source: Wellcome Collection.
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![eine annähernd gerade Linie von der Lippe¬ gegend um Dortmund über das rechts¬ rheinische Kölner Gebiet, die Trierer Ge¬ gend nach der Champagne um Reims und untersuchen wir überall, zu welcher Zeit die alte urkelt. und reinkelt. Kul¬ turreihe (Hallstatt- und kelt. Latenekultur) aufhört, so ergibt sich folgendes: Im Lippe- gebict (Museum Dortmund) endet die alte Reihe um 800—700 v. C. Die Frühhallstatt - kultur mit Kerbschnittgefäßen, kelt. Ra¬ siermessern und die Mittelhallstattkultur mit verblaßten Typen weitbauchiger, schrägrandiger Urnen ist noch vertreten. Dann kommen germ. doppelkonische Ge¬ fäße mit germ. Rasiermessern u. a. Auf den alten Hügelfeldern erscheinen große, tellerartige, oben flache, viele Beisetzungen enthaltende Hügel mit den germ. Formen. Diese Hügel bedeuten den beginnenden Übergang zum Flachgrab. Im Kölner Ge¬ biet (Funde im Museum Köln) geht die Hallstattreihe mit Brandhügeln zu Ende, mit dem Auftreten der ersten Latenezeichen bricht sie völlig ab. Nö. der Linie Ander¬ nach, Mechernich (Eifel), Eschweiler bei Aachen ist kein einziges kelt. Latene- fundstück gehoben. Nach einer Siedlungs¬ lücke noch unbestimmter Dauer beginnt die Fundreihe mit schwachen Funden wieder, aber auf germ. Seite mit Brand¬ gruben ohne Hügel und Inventar der Mittellatenestufe. Im Trierer Gebiet (Mosel, Saar, Nahe; Museen Trier und Birkenfcld) geht die Hallstattreihe ohne Lücke in die LTZ über. Ganz allmählich erscheint die Bestattung an Stelle der hallstätt. Brand¬ gräber, die Hügel bleiben. Hierhin gehören die großen bekannten Gräber von Wciß- kirchen und Schwarzenbach (s. d.). Als die Mittellatenezeit mit den niedrigen Fußgefäßen und Schüsseln eben be¬ ginnt, bricht die Reihe ab. Nach einer Siedlungslücke erscheinen die germ. Brand¬ gruben (Biewer u. a.). Sehr schön ist der völlige Wechsel von Grabsitten, Wohn- plätzen usw. geschildert im Kataloge west- u. süddeutscher Altertumsmuseen III Birkenfeld S. 123. In der Champagne zieht sich die Kultur (meist ohne Hügel) bis zum Ende der Mitteliatönezeit hin (Somsois, Marson, Cernon-sur-Coole; s. Marnekul¬ tur) dann geht sie auch hier zu Ende. Auch j hier beginnt die Reihe wieder mit verhältnis- i mäßig armen Brandgräbern der Latöne- stufe III (,,Aussi ont-elles peu retenu l’attention.“ Dechelette Manuel II 3 S. 1037.) § 6. Diese neue Bevölkerung, die überall erst nach einer Siedlungslücke nachrückt, sind Germanen, und die geschichtlichen B. sind ihre Nachfahren, mit Kelten unter¬ mischt. Wer sie waren, hat vorher schon die Stelle aus Cäsar gezeigt. Zu erwähnen 1 wäre noch eine Notiz aus Strabo nach 1 Posidonius, der die Hütten der B. als ge¬ räumig und rund bezeichnet, also anders als die viereckigen der gall. Latenestufe III, aber genau so wie die Rundhütten der Ger¬ manen (Mannus 1 [1909] S.83fr. C. Rade- macher). Im ganzen ergibt sich das Vor¬ schieben der Germanen aus dem Gesagten deutlich genug, und damit ist dieEntstehung der belg. Stämme klar. Bei der Spärlichkeit der Funde bleibt über ihre Kultur noch vieles zu erforschen. Das wenige Bekannte zeigt deutlich die Mischung mit gall. Kulturgut. Daß sie in provinzialröm. Zeit an der röm. Kultur teilnehmen mußten, ist bekannt. Von Wichtigkeit ist noch, festzustellen, daß die den gall. ähnlichen Gefäßformen zu¬ nächst nicht ohne weiteres als solche von den Galliern übernommen sind; es handelt sich hier um anderes: die Übernahme der Drehscheibentechnik, die die Gefäßformen mit sich brachte.' § 7. Daß dieses Verschieben der Ger¬ manen mit einem sehr ausgeprägten Zu¬ rückweichen der Kelten und Gallier einher- ging, zeigen uns die arch. Befunde: der Zug der Saefes, Cempsi, Berybraces nach Spa¬ nien um 600—500 (s. Hügelgräber d. französischenPyrenäengegend), dann das Abdrängen der Brythonen nach England über die Seinemündung (4. Jh. v. C.), auch die klassischen Zeugnisse (vgl. Livius über die gall. Wandersage von Bellovesus und Sego- vesus; Appianus unter dem Jahre 390 v. C.: Pars satis magna Celtarum apud Rhenum habitantium se accinxit ad aliam terram quaerendam et Clusinis bellum inferebat). Im 6. Jh. v. C. und um 400 zogen also Rheinkelten nach S, und wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir den Druck der Ger¬ manen mit als Ursache nehmen. Es wird sich auch vielleicht herausstellcn, daß dieses](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29931125_0001_0560.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)