Volume 1
Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert.
- Max Ebert
- Date:
- 1924-32
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Credit: Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert. Source: Wellcome Collection.
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![Lebens- und Krankheitstheorie voraus, wie primitiv sie auch sei. Was man durch die Eröffnung der Ader mit dem fließenden Blute (außer allg. Blutverminderung) aus dem Körper herauszulassen bestrebt war, hängt von der jeweilig herrschenden Krank- heitsvorstellung ab. § 2. Der Grad der Verbreitung in primi- liven Kulturen steht noch nicht völlig zweifellos fest, selbst nicht für die nord¬ alpinen Völker Früheuropas, wo ihm der j Mittelmeereinfluß erst völligeAllgemeinver- J breitung gesichert zu haben scheint. Schon die gangbarste ahd. Bezeichnung jliodema, jliedima usw., mhd. flieteme, jliete aus flebotomus, neben dem allerdings ags. biödseax, blödsex (Blutmesser) vorkommt wie mhd. läj-Tsen, spricht dafür. Da¬ gegen scheint in Amerika vorkolumbisch der A. nicht nur bei Inkas und Az¬ teken, sondern auch bei den primitiven Indianerstämmen verbreitet gewesen zu sein, ja selbst in Australien. In der Kultur Babels und Ägyptens scheint der A. uralt, wenn auch für Babylon Einzelnach¬ weise noch beschafft werden müssen. In Ägypten gibt schon der älteste medizinische Papyrus, der Veterinärpapyrus v. Kahun (s. Papyri, med. § i), Anweisung zur Blut¬ entziehung an Schnauze und Schwanz. Das 1 Iistörchen des Plinius und Ammianus Mar- cellinus, daß das Nilpferd durch gewolltes Aderritzen an den Beinen mittels scharfer Riedhalme die Ägypter den A. gelehrt habe, ist natürlich nicht ernst zu nehmen; selbst der Schluß, daß auf äg. Boden der A. zu¬ erst in Gebrauch gekommen sei, läßt sich damit nicht begründen, wenn dort auch eine Aderlaßstellenlehre bestanden zu haben scheint (s. Anatomie). § 3. Als Aderlaßinstrument zur Er¬ öffnung oberflächlicher Blutadern ist für die früheste Zeit ein scharfer, geschlagener Steinsplitter anzunehmen. Doch dürfte, da die rituelle Bindung hier nicht in allzu scharfem Maße mitsprach, der Übergang zu Kupfer, Bronze, Eisen (Stahl) mit fort¬ schreitender Entwicklung anzunehmen sein. Aus der Völkerkunde ist wohl das Schießen mit kleinen Feuersteinpfeilen aus nächster Nähe zum Eröffnen der Ader bekannt ge¬ worden. Aber die babyl. Aderlaßpeitsche mit gebogener Kupfernadel (Zehnpfund, v. Oefele) hat sich nicht bestätigen lassen. Zehnpfund Zuqaqipu, das Schröpf Instrument der Babylonier Bcilr. z. Assyriol. u. sem. Sprach- wiss. IV 220 ff.; M. Bartels Med. d. Natur¬ völker 1893 S. 268 f. [Ältere Anschauungen in Landsberg Üb. d. Altertum des Aderlasses Janus NF. 1 161 ff., II 89 ff.; Jos. Bauer Gesch. d. Aderlässe 1870.] Sudhoff Adler. A. Allgemein. § 1. Die Rolle, die der A. in dem Gefühl der europ. Völker sicher seit frühster Zeit spielte, wird in Vor¬ derasien (s. Adler B) schon durch die älte¬ sten Schriftquellen und Bodendenkmäler belegt. Hier wird sich allerdings kaum aus¬ machen lassen, wo zuerst die Sage von der Rettung durch den A. entstand. GilgameS bei den Babyloniern und Achämenes, der Ahne des pers. Königsgeschlcchtes, werden beide vom A. als Kind den Verfolgern ent¬ zogen. Wir finden dies Motiv später in der antiken Ganymedsagc wieder. § 2. Eine ebenfalls sehr alte Darstellung, die sich mehrfach auf babyl. Siegeln findet, gibt die Auffahrt eines Erwachsenen, des Etana, auf Adlerflügeln. Diese Vorstellung treffen wir auch nicht selten in Bildern und Wendungen derBibel. Es waren also wohl Adlerflügel, die die alte Mythologie so gern göttlichen Gestalten oder solchen, die da¬ durch vergöttlicht werden sollten, verlieh, ln Babylonien tritt auch der A. als .Stadt- und Staatswappen auf, oft mit dem Löwenkopfe vereinigt, und in der merk¬ würdigen Bildung des Doppeladlers findet er sich namentlich bei Hettitern. § 3. Daß in sehr alter Zeit der A. auch Attribut des Blitzgottes wurde, dürfte ebenfalls auf vorderas. Einfluß zurück¬ gehen. Als Vertreter des höchsten Gottes, der zugleich auch Gewittergott war, ist der A. auch zum Sinnbilde des allherrschenden Roms geworden und hat somit seine Stel¬ lung auch in der Völker- und Bildersprache und den Wappen neuerer Staaten (Rußland, Österreich) gefunden. Ed. Hahn B. Vorderasien. Das Bild des A., der auch im Zweistromlande als „erster der Vögel“ galt, wurde daselbst vielfach in der Heraldik verwandt. In der ältesten Zeit bestanden zB. die Wappen vieler Städte Südbabyloniens aus einem löwenköpfigen A., der in seinen Fängen zwei andere Tiere, etwa Löwen, Böcke oder Hirsche, hält](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29931125_0001_0058.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)