Volume 1
Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert.
- Max Ebert
- Date:
- 1924-32
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Credit: Reallexikon der Vorgeschichte : unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter / herausgegeben von Max Ebert. Source: Wellcome Collection.
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![vorgesch. Zeit. — § 8. Verbreitung von Bernstein und Bernsteinartefakten durch Wanderungen und Handel. — § 9. Wie wurde Bernstein in vor¬ gesch. Zeit verwendet? — § 10. Bernsteinarte¬ fakte: A. Steinzeit. B. Bronze- und Hallstattzeit. C. La-Tenezeit. D. Römische Kaiserzeit. § 1. Mit dem Wort „Bernstein“ wird eine Anzahl von fossilen Baumharzen bezeichnet, die nach ihrer Entstehung, ihren physikalischen und chemischen Eigen¬ schaften sowie in bezug auf ihr geol. Vor¬ kommen und ihre geogr. Verbreitung sehr verschieden sind. „Bernstein“ (im weiteren Sinne) ist also ein Sammelbegriff. § 2. Ostseebernstein (= baltischer B. oder Succinit) ist vorherrschend gelb, durchscheinend oder durchsichtig („klar“); außerdem finden sich aber Stücke der ver¬ schiedensten Farben von weiß, weißgelb, grünlichgelb, hellgelb, orange bis braun, dunkelbraun, rötlich, hyazinthrot und braunrot mit allen Übergängen, ferner un¬ durchsichtige, trübe und wolkig trübe Stücke in großer Mannigfaltigkeit. Im Gegensatz zu den meisten (aber nicht allen!) Bernsteinharzen enthält der Succinit viel Bernsteinsäure (bis zu 8 %). Die pri¬ märe Bildungsstätte des Ostseebernsteins, die naturgemäß eine Landformation sein muß, ist nicht bekannt. Er findet sich ein¬ gelagert in einer marinen Schicht (also an sekundärer Lagerstätte) im Unter-Oligozän (der Zweitältesten Tertiärschicht) des Sam- landes in Ostpreußen; die graublaue, tonig- sandige Schicht, in welcher der B. dort hauptsächlich vorkommt, wird „Blaue Erde“ genannt. Unter ähnlichen Lagerungs¬ verhältnissen wie im Samland wird B. in ■älteren Tertiärschichten gefunden, die sich, den Flußgebieten des Njernen, der Weichsel und des Dn’epr folgend, bis fast zum Schwarzen Meer erstrecken (vgl. Verbrei¬ tungskarte von Jonas in Pli. Ö. Sehr. 49 I [1908] S. 361 u. Text S. 257 ff.). B. findet [ sich ferner an dritter, vierter usw. Lager¬ stätte in jüngeren (besonders mioeänen) Tertiärschichten sowie in den Ablagerun¬ gen der Eiszeit (Diluvium) im ö. England, in Holland, Norddeutschland, Dänemark, Südschweden, Finnland, den Ostseeprovin¬ zen, Polen, Schlesien, im europ. Rußland ö. bis zum Ural, s. bis zum Schwarzen Meer *und Kaukasus (P. Dahms Verbreitungs- karte des Succinits Ztschr. f. prakt. Geo¬ logie 1901 S. 207), endlich als Auswurf der Ostsee und der Nordsee an deren Küsten und ebendort im Dünensande. Nach seinem hauptsächlichsten Vorkommen kann man daher den Succinit als nord. oder halt. B. bezeichnen. § 3. Neben dem Succinit, der die Haupt¬ masse des nord. B. bildet, finden sich an der Ostseeküste und z. T. im ganzen Verbrei¬ tungsgebiet des Succinits (s. § 2) fol¬ gende fossile Harze: 1. Gedanit, dem Succinit im Aussehen sehr ähnlich, enthält jedoch keine Bernsteinsäure. 2. Sog. „mürber B.“, ebenfalls dem Succinit ähn¬ lich, aber weniger hart und widerstands¬ fähig, mit geringem Bernsteinsäuregehalt. 3. Krantzit oder „unreifer B.“, von wachsartiger Beschaffenheit. 4. Glessit, braun, enthält zahlreiche mikroskopisch kleine, kugelrunde, zelligc Gebilde. 5. Beckerit, braunkohlenfarbig. 6. Stan- tienit, glänzend schwarz. Nr. 3—6 ent¬ halten keine Bernsteinsäure oder nur Spuren davon. Wegen ihres vom gewöhn¬ lichen B. (Succinit) stark abweichenden ! Aussehens sind diese 4 Harzarten wohl I nicht als Material für Artefakte verwendet ! worden, während bei Gedanit und mürbem | B. diese Möglichkeit vorliegt. Kopal kommt nicht, wie anfangs von Helm angenommen wurde, im Ostseegebiet vor. § 4. Außer im Verbreitungsgebiet des Succinits oder Ostseebernsteins finden sich bernsteinähnliche, fossile Harze in verschie¬ denen Ländern Europas sowie in Asien, Afrika und Amerika. Die wichtigsten europ. Vorkommen solcher Harze sind: 1. Thürin¬ gen und Provinz Sachsen („Retinit“ und „Krantzit“). 2. Rheinland („Retinit“ und Siegburgit“). 3. Böhmen („Bernstein“). 4. Mähren („Bernstein“, „Muchit“, „Neu- dorfit“ und „Walchowit“). 5. Galizien („Bernstein“ und „Schraufit“). 6. Buko¬ wina („Schraufit“). 7. Rumänien („Rumä- nit“ in zwei Varietäten). 8. Deutsch-Öster¬ reich („Bernstein“ und ,,Jaulingit“). 9. Schweiz („Allingit“). 10. Italien („Apen- ninen-Bernstein“). II. Sizilien („Simetit“ in zwei Varietäten). 12. Belgien („Bern¬ stein“). 13. Frankreich („Bernstein“). 14. Spanien („Bernstein“). Von den außercurop. natürlichen Vor¬ kommen sind für die Frage nach der Her-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29931125_0001_0645.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)