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Credit: Die Hypochondrie / von Dr. R. Wollenberg. Source: Wellcome Collection.
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![aus einem starken, körperliehen Krankheitsgefühl hervorgehe, das die Aufmerksamkeit beständig lebhaft in Anspruch nehme; dass sich deshalb die falschen Urteile fast ausschliesslich auf den Gesundheitszustand des Subjectes beziehen und dieses nun in Besorgnissen eigener schwerer Er- krankung, in ungegründeten und bizarren Ansichten über die Art und Weise und die Gefährlichkeit dieser seiner Krankheit delirire. Mit Rück- sicht darauf, dass dabei die äussere Besonnenheit und der logische Zu- sammenhang der anomalen Empfindungen und Vorstellungen erhalten zu bleiben pflege und eine eigentliche Verstandesverwirrung fehle, erscheine die Hypochondrie wesentlich als schwermüthige „Folie raisonnante. Im Jahre 1880-fasste Beard1) seine früheren Arbeiten über Neur- asthenie in der bekannten Monographie zusammen, welche, nicht zum wenigsten infolge des sehr glücklich gewählten Namens, das neue Krank- heitsbild überraschend schnell populär machte. Beard's Darstellung ist weiterhin bei aller Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit einmal mit Rück- sicht auf die unkritische Nebeneinanderstellung verschiedenwertiger Symptome, sodann aber besonders deshalb bemängelt worden, weil sie die Neurasthenie als ein in sich abgeschlossenes Krankheitsbild behandelt, ohne ihre Beziehungen zu den anderen functionellen Nerven- oder Geistes- krankheiten gebührend zu berücksichtigen. Dementsprechend erfuhr Beard's Lehre weiterhin im Einzelnen ver- schiedene Modificationen. Dabei wurde aber nunmehr der schwer zu um- grenzende und dehnbare Begriff der Neurasthenie vielfach in einer Weise ausgedehnt, die für seine Schärfe und Einheitlichkeit nicht von Nutzen war. Hierauf wird weiter unten zurückzukommen sein. In der Geschichte der Hypochondrie stellt die Begründung und Popularisirung des Krankheitsbegriffes der Neurasthenie den wichtigsten Markstein dar, von dem ausgehend geradezu eine präiieurastheniselie und eine neurasthenisehe Periode ihrer Entwicklung unterschieden werden kann. Die präneurasthenische Periode, mit der wir uns bis jetzt be- schäftigt haben, erhält ihre Signatur durch die ungeteilte Anerkennung der Hypochondrie als einer Krankheit sui generis. Dagegen kennzeichnet sich die neurasthenisehe Periode, der wir uns nunmehr zuwenden, dadurch, dass seitens der ganz überwiegenden Mehrzahl der Forscher ]) Beard, G. M., A praetieal treatise on nervous exhaustion (neurasthenia), its syuiptoms, nature, sequences, treatment. New-York, 1880. — Derselbe, American ner- vonsness. New-York, 1831. — Derselbe, Die Nervenschwäche (Neurasthenia). Deutsch von Neisser. Leipzig, 1889. — Die anderen Arbeiten desselben Autors siehe bei Mö bi iis, 1. e.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b20998491_0010.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)