Ueber Heilgymnastik und Massage : nach einem im ärztl. Verein in Hamburg gehaltenen Vortrage / von H. Nebel.
- Nebel, Hermann, 1853-
- Date:
- 1886
Licence: Public Domain Mark
Credit: Ueber Heilgymnastik und Massage : nach einem im ärztl. Verein in Hamburg gehaltenen Vortrage / von H. Nebel. Source: Wellcome Collection.
4/24 (page 2642)
![[2 worben haben, die praktisch grossentheils viel Geschick besitzen, so sehen wir hingegen als »Masseure« meist gänzlich ungebildete Leute in stets Avachsender Zahl ihr Unwesen treiben, indem sie, meist ohne ärztliche Anweisung, ohne recht zu Avissen was? und warum? Alles streichen und kneten, was ihnen unter die Hände kommt. Das Publikum erwartet von einem Mittel, das ihm so probat erscheint, weil es so leicht zu haben ist, alles Mögliche und Unmögliche; die Masseurartisten bestärken diesen Wahn und haben leichtes Spiel, denn »die Welt will massirt sein«. Massage ist einmal das Modemittel geworden und sie wird es bleiben, so lange ihr der Nimbus des Mirakiilösen anhaftet, d. h., so lange sie vorzugSAveise von Nichtärzten geübt und kritiklos gepriesen wird; dies wird erst aufhören, wenn sie mehr Gemeingut der Aerzte geworden ist, um endgiltig auf ihren wahren Werth geprüft und reduzirt zu werden. Bekanntlich ist das Massiren nicht, Avie viele glauben, eine neue Kunst, sondern schon von Alters her, namentlich bei Chinesen und Indern in Gebrauch gewesen. Die Wiedereinführung des, gänzlich in Vergessen- heit gerathenen, Heilmittels in die Wissenschaft verdanken Avir den Franzosen (Tissot, Bonnet, Pierry, Nelaton), Avelche dasselbe aus den alten chinesischen Büchern i) kennen lernten u.nd sich schon seit Dezen- nien praktisch und Avissenschaftlich mit der Massage beschäftigt haben, Avovon eine Reihe interessanter Werke, besonders das, in erster Auflage 1863 erschienene, Buch von Estradere^) beredtes Zeugnis ablegen. Dass die Massage neuerdings überall in Aufnahme gekommen ist und in immer Aveiteren Kreisen Verehrer gefunden hat, ist wie Sie alle wissen, haupt- 1) Der französische Jesuitenpater Amiot übersetzte 1779 den Cong-Fou, die ältesten medizinischen Ueberlieferungen auf den Broncetafeln von Tao-Sse. 2) J. Est rädere »Du Massage son historique, ses manipulations ses effets physio- logiques et therapeutiques«, behandelt, wie dies neuerdings immer mehr Sitte wird, die Massage als eine Sache für sich, betont sogar, dass sie nichts mit der Heilgj-mnastik o-emein habe. («Ne confondons pas deux parties distinctes, qui ont ete nettement se])a- rees dans les livres hippocratiques et qui n'ont pas ete confondues par Liug et ses fauteurs« S. 5. 6.) , • , , -7 • In Wahrheit liegt die Sache aber doch so, dass bis vor noch nicht langer Zeit, — bis die Massage zum Modemittel geworden ist, das nahezu Alles heilen soll, die Cholera nicht ausgeschlossen, — Niemand daran dachte, die Massagemanipulationen anders zu betrachten und darzustellen, denn als einen integrirenden Bestandtheil der Gymnastik. Erst in den letzten Dezennien ist es Bedürfnis geworden die Massage für sich, und nicht mehr als das, was sie bei Chinesen und Indern, bei Hippokrates und allen späteren Schriftstellern über «Gymnastik« (nie über «Massage«!) bis auf Tissot, vor allen aber bei Ling gewesen ist, als den passiven Theil der Gymnastik zu behandeln, aus welcher die Masseure doch aber zugestandencrmassen noch andere passive Be- wegungen zu Hilfe nehmen müssen. S. 6 sagt Estradere selbst, Hippocrates verlange, dass diejenigen, welche die gymnast. Ucbungen der Jugend leiteten, die «Massage« ausüben mussten, welche unter den passiven Uebungen aufgeführt wurde:](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b20402727_0004.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)