Die geschichtliche entwicklung des ärztlichen standes und der medicinischen wissenschaften / Von J. Hermann Baas ... Mit 2 abbildungen in holzschnitt.
- Johann Hermann Baas
- Date:
- 1896
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Credit: Die geschichtliche entwicklung des ärztlichen standes und der medicinischen wissenschaften / Von J. Hermann Baas ... Mit 2 abbildungen in holzschnitt. Source: Wellcome Collection.
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![Die Chirurgie resp. die Operationslehre erstreckt sich haupt- sächlich nur auf die kleine Chirurgie. Die grösste Operation, welche Carrow sah, war die Amputation eines Fingers. Schröpfen und Blutegel werden häufig angewandt, Adeiiass dagegen selten. Uralt und viel benutzt sind Moxen, und vor allem Massage und Acupunctur: wird diese mit drehend eingetriebener Nadel ausgeführt, so heisst sie Nedschibari, wenn mit schlagend eingetriebener, aber Udschibari. Die Inoculation der Blattern geschieht durch Einbringen von mit Blattern- schorf bestreuter Baumwolle in die Nase oder durch Schnupfen pulverisirten Schorfs. Knochenbrüche und Luxationen reckt und zieht man, verbindet sie aber nicht. Ausziehen wackelnder Zähne und Paracentese des Auges (ob auch bei Staar, ist ungewiss; er heisst „weisses, hinteres Hindemiss nach Hirschberg) geschieht und Castration wird von der Zunft der „Messerer durch Totalentfernung des ganzen Complexes geübt. Räucherung mitj^ueck- silber bei Syphilis und Anästhesirung mittelst Mago sind schon lange be- kannt; übrigens braucht das letztere nicht sehr gründlich zu betäuben, da die Chinesen. wie alle Orientalen, operatiyeJEingiiffe gut ertragen. E)ie <j eh u r t s h ü 1 feüben „Hebammen, d. h. alte Weiber ]iüie Aerzte, die höchstens Mittel zur Verbesserung der Kindslage verschreiben: wissen sie doch weder vom Uterus, noch von dessen Function etwas). Eine H y g i e i n e kennt der Chinese nicht: bedauert der überaus schmutzige Sohn des Himmels die Ausländer doch geradezu, dass sie sich so oft waschen müssen, was er nicht nöthig habe! Eine Art gerichtlicher Medicin wird dadurch geübt, dass man probirt, ob Blut aus einer Schnittwunde des Mörders von den Knochen u. dergl. des Ermordeten eingesaugt wird. Die Arzneimittelzahl der Chinesen ist sehr gross und die Mittel sind zum Theil ebenso absonderlich, wie auch vor 100 Jahren noch unter uns: neben Quecksilber, Kampher, Moschus, Ginseng (koreanischer kostet 6000 bis 7000 Mark das Pfund!) und Salanganen, beide als Aphrodisiaca, Seeale als Abortivum (nach Kobert) u. s. w., aber auch Fledermauskoth (}'eh ming sha), um den Blutumlauf zu befördern, Drachenbein (Lung-ku) gegen häufiges Erschrecken, Seidenraupenkoth (Xian-tsang-sha) gegen Krämpfe der Kinder, Nachttopfansatz (yen chung pai) gegen Nasenbluten, Mund- und Zahngeschwüre, Ansatz von Nachtstühlen gegen Sodbrennen und Hitzeschlag u. s. w. Gegen Augenleiden schlachtet man ein Huhn und halbirt es, dann wird die eine Hälfte so über den Kopf gelegt, dass die Därme über das Auge herab- hängen, und die andere Hälfte isst der Kranke. Da die Aerzte nicht an- gestellt werden und nicht zu den Gelehrten höchsten Ranges zählen, gehören sie auch nicht zu der unter der Dynastie der Tang (618—907) gegründeten Universität resp. Gelehrtencorporation, dem Han-Lin. Neuerdings hält übrigens die westliche Medicin selbst in China Einzug, nachdem sie in dem „modernen, im Jahre 1868 durch Herstellung der ursprünglichen Einherrschaft des Mikado nach Beseitigung des Shiogun entstandenen Japan eingebürgert](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21035271_0064.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)