Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![abwechselnd Kälte und Wärme. Weun die Empfindung der Wärme und Kälte schnell abwechselt, so gelangen wir zu der Vorstellung, daß etwas Warmes und Kaltes nebeneinander oder hintereinander liege, aber wir sind nicht imstande, die Emp- findungen der Wärme und Kälte in eine verschmolzen uns vorzustellen, etwa wie wir uns einen höheren und einen tiefe- ren Ton vorstellen, indem wir sie im Verhältnis einer Tertie auffassen. Welcher von den beiden Eindrücken aber zum Bewußtsein gelange, hängt nur in einem sehr geringen Grade von der Richtung unserer Aufmerksamkeit ab. In der Regel sind es andere Umstände, die es bestimmen. Berührt man mit der ausgebreiteten Hand, die vorher längere Zeit geschlossen war und dadurch eine höhere, der Blutwärme näherstehende Tem- peratur angenommen hatte, kurze Zeit die Stirn, so empfindet man mit der Stirn die Wärme der Hand, nicht mit der Hand die Kälte der Stirn. Achtet man aber bei dieser Berührung darauf, welches Objekt man fühlt, so findet man, daß man mit der Hand die Stirn als Objekt fühlt, keineswegs mit der Stirn die Hand. Dieser unerwartete Erfolg, welcher einen Widerspruch zu enthalten scheint, ist auf folgende Weise zu erklären. Die Stirn hat eine dünnere Oberhaut als die Hohlhand, und die Wärme der Hohlhand dringt daher schneller zu der mit dem Tastsinne begabten Lage der [557] Haut an der Stirn ein als in der Hohlhand, und auf diese schneller entstehende und stärkere Temperaturempfindung richtet sich die Aufmerksam- keit, dagegen ist die Hohlhand mit einem mehr ausgebildeten Ortsinne begabt als die Stirn, und die Aufmerksamkeit richtet sich daher, wenn wir auf den Druck aufmerken, den wir empfinden, auf die Hand, in welcher die Druckempfindungen stärker und bestimmter entstehen. Hierzu kommt, daß wir unter übrigens gleichen Umständen unsere Aufmerksamkeit auf das Glied richten, welches wir bewegen, und daß wir daher, wenn alle anderen Verhältnisse gleich sind, mit dem durch unseren Willen bewegten Gliede immer das unbewegte als ein Objekt empfinden. Beide Umstände kommen bei jener Beob- achtung an der Stirn zusammen und bewirken, daß man mit der Hohlhand die Stirn als Objekt fühlt. Mau kann zwar durch die Richtung der Aufmerksamkeit allmählich bewirken, daß man die ausgespreizten Finger an der Stirn fühlt, allein es gelingt das kaum in einem höheren Grade, als wenn man seine ausgespreizte Hand auf einen kühlen Tisch legt, wo man](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0121.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)