Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![sind, als daß sie sich auf einmal ganz auf dem empfindlich- sten Teile der Nervenhaut abbilden können. Wir müssen in diesem Falle das Auge bewegen und dadurch bewirken, daß sich die verschiedenen Stücke derselben Linie sukzessiv auf den nämlichen Teilen der Nervenhaut abbilden. Unter diesen Umständen müssen wir also die Bewegung des Auges mit in Rechnung bringen und erhalten erst dadurch eine Vorstellung von der Länge der Linien. Wären die Eindrücke, die wir von sichtbaren Dingen im Gedächtnis aufbewahren, Spuren, welche die sinnlichen Eindrücke im Gehirne zurückließen, und deren räumliche Verhältnisse den räumlichen Verhältnissen der sinnlichen Eindrücke entsprächeu, und also gleichsam Daguerreo- typen derselben, so würde es schwer fallen, sich einer Figur zu erinnern, die zu [561] groß ist, als daß sie sich auf einmal auf dem empfindlichen Teile der Nervenhaut abbilden könnte. Es scheint mir zwar, als ob sich eine Figur, die wir mit einem Blicke übersehen können, besser unserem Gedächtnisse und unserer Phantasie einprägte, als eine Figur, die wir nur suk- zessiv übersehen können, indem wir die Augen bewegen, allein dennoch können wir uns auch die erstere mittels der Phantasie vorstellen. Aber es scheint von uns in diesem Falle die Vor- stellung von der ganzen Figur aus den Stücken, die wir auf einmal wahrnehmen, zusammengesetzt zu werden. Wenn man zwei Striche vergleicht, die 20 und 21 Linien lang sind, so ist der letztere um y20 länger, der absolute Unterschied der Länge beträgt aber 1 Linie; wenn man da- gegen zwei Striche vergleicht, die 1 Linie und 1,05 Linie lang sind, so beträgt der Unterschied auch y20, aber der eine Strich ist nur um 1/2o Linie länger als der andere, demnach ist im letzteren Falle der absolute Unterschied 20 mal kleiner. y2o Linie ist aber eine Größe, die wie ein feiner Nadelstich an der Grenze des Sichtbaren liegt. Man ist nur eben noch imstande, einen Punkt zu sehen, dessen Durchmesser y2> Linie beträgt, und doch ist, wer ein sehr gutes Augenmaß hat, noch fähig, 2 Linien hinsichtlich ihrer Länge zu unterscheiden, von denen die eine um y20 Linie länger ist. Zwei Beobachter, welchen ich solche Striche vorlegte, unterschieden beide den längeren von dem kürzeren, und ihr Augenmaß reichte sogar noch weiter. Ich selbst unterschied zwei Striche, deren rela- tiver Längenunterschied y2ft betrug, und von welchen die eine zwischen */17 und yi8 Linie länger war als die andere. Die Auffassung der Verhältnisse ganzer Größen, ohne daß man die](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0127.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)