Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![vergeht, damit ein auf die Empfindungsnerven gemachter Ein- druck auf die Bewegungsnerven reflektiert werde, eine meßbare Zeit. Man hat eine sehr gute Gelegenheit, das letztere bei vielen Menschen gleichzeitig wahrzunehmen, wenn man das weibliche Publikum in einem Konzerte beobachtet, in welchem nach sanften Melodien oder nach einer Pause plötzlich mit dem Taktschlage Pauken und Trompeten mit aller Kraft ein- setzen. Das Zusammenfahren der Damen erfolgt, wie ich seit vielen Jahren beobachtet habe, eine meßbare Zeit später als der Eindruck des starken Schalles auf das Ohr. Ich habe mich, um die Angaben des Herrn Beau zu prüfen, mehrmals auf den Nagel eines vom Tische unterstützten Fingers heftig geschlagen und gefunden, daß allerdings die durch diesen Stoß entstehende Empfindung, nachdem der [568] Schlag vorüber ist, an Stärke zunimmt und eine merkliche Zeit nach dem Schlage ihren höchsten Grad erreicht und dann wieder schnell abnimmt. Allein, wenn der Stoß nicht auf den Nagel geschieht, sondern auf die Haut des zweiten Gliedes des Fingers, so finde ich, daß der Schmerz sogleich beim Schlage am stärksten ist, und nehme daher an, daß im ersteren Falle der Schmerz, vermöge des Schutzes, den der Nagel gewährt, etwas später eingetreten sei. Der Nagel erleidet durch den Schlag einen Eindruck oder eine Einbiegung; vielleicht ist es nicht diese Einbiegung unmittelbar, sondern die Bewegung, wodurch der Nagel hierauf, vermöge seiner Elastizität, seine ursprüngliche Gestalt wieder annimmt, die den Schmerz erregt, der daher nicht im ersten Momente fühlbar ist. Indessen will ich nicht behaupten, daß die Empfindung von der Berührung und die Empfindung des Schmerzes völlig gleichzeitig wären. Streicht man jemand mit der Fahne einer Feder auf den nackten Rücken, so ent- steht ein Schauder, aber dieser Schauder ist nach meinen Er- fahrungen auch nicht gleichzeitig mit der Empfindung der Be- rührung, sondern folgt ihr nach, und dasselbe gilt wohl auch beim Kitzel, der dem Niesen vorausgeht. Ich bin der Meinung, daß auch der Schmerz, ebenso wie diese Empfindungen, auf einer weiteren Ausbreitung des auf das Gehirn hervorgebrach- ten Eindruckes auf andere Fasern des Gehirnes beruhe, da ich sehe, daß der Ort, wo die Einwirkung geschieht, von welchem der Schmerz ausgeht, viel ausgebreiteter zu sein scheint, als es der Fall ist, und daß uns dieser Ort, solange kein Schmerz entsteht, viel enger begrenzt erscheint.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0137.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)