Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![im Gehirne endigen, sondern sich anch benachbarten Teilen des Gehirnes mitteilt. Diese in der Nachbarschaft erregte Empfindung versetzen wir dann in unserer Vorstellung in den Unterarm. Man findet, wie S. [495] bemerkt worden ist, auch in anderen Fällen, wo Schmerz entsteht, daß er nicht auf den Ort beschränkt ist, auf den die schmerzerregende Ursache wirkt. Schmerz scheint also durch Wärme oder Kälte dann zu entstehen, wenn die einwirkende Ursache einen so starken Eindruck auf das Gehirn macht, daß sich dieser Eindruck im Gehirne weiter verbreitet. Daß der Eindruck auf das Gehirn eine solche Stärke erreicht, hängt von fünf Umständen ab: 1. von dem höheren oder geringeren Grade der auf uns wirkenden Wärme oder Kälte, denn der Schmerz entsteht desto schneller und ist desto größer, je höher oder niedriger der Temperaturgrad; 2. von der längeren oder kürzeren Zeit, während welcher wir der Wärme oder Kälte ausgesetzt sind, denn je länger wir ihnen ausgesetzt sind, desto mehr nehmen unsere Organe die warme oder kalte Temperatur an, und desto tiefer dringt sie in das Innere unserer Organe ein und wirkt dann nicht bloß auf die peripherischen Enden der Nerven, sondern ergreift auch die Stämme der Nerven und macht dann durch die zahlreichen Fäden derselben Eindrücke auf das Gehirn, die sich zu einem sehr heftigen Eindruck [571] summieren; 3. von der größeren oder geringeren Empfindlichkeit des der Wärme und Kälte ausgesetzten Teiles; so empfinden wir z. B. viel schneller und stärker Schmerz, wenn wir die Zungenspitze, als wenn wir einen Finger in dasselbe heiße Wasser eintauchen; 4. von der Größe der Oberfläche des empfindlichen Teiles, wel- cher dem Einflüsse der Wärme und Kälte ausgesetzt ist, denn je größer diese Oberfläche ist, desto mehr Nervenfäden emp- fangen gleichzeitig den Eindruck der Wärme oder Kälte, und diese vielen Eindrücke summieren sich im Gehirne zu einem einzigen starken Eindrucke, der so heftig werden kann, daß er sich daselbst weiter ausbreitet und dadurch Schmerz erregt; 5. und endlich von der geringeren oder größeren Dicke der durch ihr schlechtes Wärmeleitungsvermögen schützenden Decke der Oberhaut, die bekanntlich an verschiedenen Teilen der Haut sehr verschieden ist, denn je dünner die Oberhaut ist, desto schneller können Wärme und Kälte bis zu den empfindlichen Teilen eindringen. 9*](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0141.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)