Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![wahrnehmbare Zeit. Streicht man mit dem Nagel des Daumens die Mitte des Rückgrates und übt dabei zugleich einen be- trächtlichen Druck aus, so erregt man den Schauder auch, wenn der Mensch bekleidet ist. Zugleich ziehen sich bisweilen die Rückenmuskeln, welche das Rückgrat ausstrecken, zusam- men. Ein ähnlicher Schauder entsteht durch die Berührung mancher Teile der Haut mit einem kalten Körper; hier nennt man den Schauder ein Frösteln, wiewohl nicht daran zu denken ist, daß die Ausbreitung der Kälte auf der Haut die ausreichende Ursache der sich ausbreitenden Empfindung sei, die noch fort- dauert, nachdem die Berührung schon aufgehört hat. Ohne alle vorausgehende Einwirkung auf die Haut entsteht ein solches Frösteln bei Eiterungen und in Fiebern, zumal in der Frostperiode des kalten Fiebers, wo bisweilen zugleich auch manche Muskeln mit ergriffen werden. Hier scheinen andere Einflüsse eine Bewegung im Nervenzentrum zu erregen, welche die Seele so deutet, daß sie die Empfindung in die Haut verlegt. Eine leise Berührung mit den Spitzen der Fasern einer Feder an den Lippen, am Rande der Nasenlöcher und in der Umgegend im Gesicht erregt bekanntlich einen eigentümlichen Kitzel. Auch hier dauert die Empfindung nicht nur fort, nachdem die Berührung vorüber ist, sondern [579] wird bis- weilen sogar dann noch stärker, wechselt ihren Ort und er- weckt das instinktartige Verlangen, daselbst die Haut zu kratzen oder zu reiben. Etwas Ähnliches beobachtet man, wenn man die Schleimhaut der Nase leise reizt. Hier liegt die Ursache, warum der Kitzel noch zunimmt und end- lich bis zum Niesen führt, darin, daß durch den Reiz die Ausführungsgänge der Schleimdrüsen zur Zusammenziehung an- geregt werden, ihren Inhalt heraustreiben, und daß durch den Kitzel, den dieser wieder hervorbringt, die Reizung sich er- neuert. Etwas Ähnliches ereignet sich vielleicht auch in der Haut, hinsichtlich der Ausführungsgänge der Hautdrüsen. Der Gehörgang ist nicht geeignet zum Kitzel, aber sehr empfindlich gegen die Berührung kalter Körper; das letztere ist bei der Schleimhaut der Nase nicht der Fall. Die hef- tige Empfindung, welche fremde Körper erregen, die mit der inneren Oberfläche der Augenlider in Berührung kommen, scheint auch ein sehr heftiger Kitzel zu sein, der aber leicht bis zum Schmerz steigt. Auch dieser erweckt das Ausfließen der Tränen. Der Teil der Conjunctiva,](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0152.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)