Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![Trockenheit hauptsächlich im Schlünde und am Gaumen haben, liegt wohl darin, daß diese Teile eine besondere Empfindlich- keit für gewisse Einflüsse besitzen, die der Speiseröhre, dem Magen, den Gedärmen und sogar der Zunge fehlt. So wie die Conjunctiva durch schwefligsaure Dämpfe und durch Am- moniakdämpfe sehr affiziert wird, so ist es auch, wiewohl in geringerem Grade, nach meinen Versuchen am Gaumen und Rachen der Fall (siehe S. [562]). Diese Teile sind mit dem Tastsinne versehen und haben zugleich eine viel dünnere Ober- haut als die Zunge. Würde die Conjunctiva nicht durch die Tränen benetzt, so würden wir vielleicht auch beim Dursten Trockenheit in den Augen empfinden. Wir fühlen zwar den Durst am meisten am Gaumen und im Schlünde, aber der Zustand, der die Empfindung hervorruft, ist unstreitig nicht bloß auf diesen Teil der Schleimhaut beschränkt. Das Gefühl, welches nach längerem Mangel an atem- barer Luft mit dem Bedürfnis des Atmens verbunden ist, hat unstreitig seinen Sitz nicht bloß in der Schleimhaut der Lunge, sondern auch im Herzen, weil mit diesem Mangel Störungen im Kreislaufe verbunden zu sein pflegen. Das Gemeingefühl in Teilen, welche nicht reich an Nerven und an Blutgefäßen sind. Die Knorpel, die Knochen, die serösen Häute und nament- lich auch die Synovialhäute, die Blutgefäße, die sehnigen Teile, das Bindegewebe und das Fettgewebe haben im ausgebildeten und gesunden Zustande nicht sehr dichte, mit Blut sehr erfüllte Haargefäßnetze. Bei den Knorpeln, solange sie nicht ver- knöchern, und solange in ihnen keine Markhöhlen entstehen, lassen sich die Blutgefäße gar nicht sichtbar machen, und eben- sowenig kann man Nerven zu den Knorpeln hin verfolgen. Dagegen sind die Nerven der serösen Häute und Synovial- häute, mancher sehnigen Teile, z. B. der Dura mater, der äußeren Arterienhaut, der Haut großer Venenstämme anatomisch dargestellt worden, die mittlere und innere Arterienhaut be- sitzen jedoch nach meinen Untersuchungen keine Haargefäße, wohl aber die Längsfaserhaut der größeren Venen. Alle diese Teile scheinen nur im kranken Zustande fähig zu sein, uns Gemeingefühlsempfindungen zu verschaffen. Un- streitig sind es hauptsächlich die Blutgefäße in ihnen, zu wel- chen sich die diesen Teilen angehörenden Nerven begeben, und](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0163.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)