Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber.
- Ernst Heinrich Weber
- Date:
- 1905
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Credit: Tastsinn und Gemeingefühl / von Ernst Heinrich Weber ; hrsg. von Ewald Hering ; mit einem Bildnis von E. H. Weber. Source: Wellcome Collection.
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![unterscheiden wir die beiden Orte, wo auf unsere Haut ein- gewirkt wird, den größeren oder geringeren Abstand dieser Orte voneinander und können die Richtung der Linie unge- fähr angeben, durch welche wir uns die beiden Orte verbunden denken können. Ich habe vor 20 Jahren*) durch eine Reihe von Versuchen erörtert, in welchem Grade man jenes Ver- mögen besitze, und gefunden, daß es in verschiedenen Teilen der Haut in sehr verschiedenem Grade vorhanden sei, so daß es z. B. an der Zungenspitze über 50mal vollkommener sei, als auf der Haut, die die Mitte des Oberarmes oder des Ober- schenkels bedeckt. Die von mir angewendete Methode der Untersuchung war folgende: Ich berührte bei verschiedenen Menschen, die ihre Augen verschlossen oder abwendeten, mit zwei kleinen gleichgestalteten Körpern gleichzeitig zwei Teile der Haut und fragte sie, ob sie fühlten, daß ein oder mehrere Körper sie berührten, und in welcher Richtung die Linie liefe, durch die sie sich die berührten Teile der Haut verbunden denken könnten, ob der Länge ihres Körpers nach [525] oder in querer Richtung. Ich schliff zu diesem Zwecke die Spitzen eines Zirkels mit zylindrischen Schenkeln so ab, daß die End- flächen y3 Paris. Linie im Durchmesser hatten, damit sie, wenn man damit die Haut berührte, nicht stächen, sondern einen deutliehen Tasteindruck hervorbrächten. Denn sobald die Berührung Schmerz hervorruft, wird die Beobachtung da- durch sehr viel unvollkommener, weil der Schmerz niemals so lokal ist, als eine hinreichend starke Berührung mit einer nicht allzu kleinen Fläche, welche keinen Schmerz verursacht. *) E. H. Weberi Panegyrin med. indicentis d. 13. mens. Nov. 1829. Annotationes anatomicae et physiologicae Prolusio VI. pag. 6. recus. sub Titulo: De pulsu, resorptione, auditu et tactu annotationes anatomicae et physiologicae auctore Ernesto Henrico Weber. Lipsiae 1834. p. 149. Als ich im Jahre 1829 gefunden hatte, daß man die Feinheit des Tastsinnes an den verschiedenen Teilen der Haut sehr genau messen und vergleichen könne, forderte ich meinen Bruder, Eduard Weber, der damals in Göttingen lebte, auf, sich mit mir zu einer gemeinschaftlichen Untersuchung über den Tastsinn zu verbinden, und zu diesem Zwecke auf längere Zeit nach Leipzig zu kommen. Hierdurch würde diese Arbeit einen viel höheren Grad von Vollkommenheit erlangt haben. Mein Bruder war anfangs geneigt, auf meinen Vorschlag einzugehen, wnrde aber leider durch andere wissenschaftliche Arbeiten ver- hindert, Göttingen zu verlassen, und ich war daher genötigt, auf seine Beihilfe Verzicht zu leisten und die Arbeit allein zu unter- nehmen. Ostwalds Klassiker. 149. 5](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21166687_0075.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)