Geschlecht und Charakter : eine prinzipielle Untersuchung / von Otto Weininger.
- Date:
- 1905
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Credit: Geschlecht und Charakter : eine prinzipielle Untersuchung / von Otto Weininger. Source: Wellcome Collection.
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![(S. 342, Z. 9 f.) Plato, Symposion, 202, D—E: »Ti odv av sfr] 6 5'Epü>q .... Msra£b A'Vyjtoö &&avaioo, .... Saijuov (iiya<;, tu Swx.pa'cs? * %ai yap Ttäv xo öaipiovtov [xs-ua^o sau D-sot) %ai '9’vyjtoö. 203 E: otke aitopst yEpooi; 7cots odxs tcXodtsI. aocptag ts ao xat ajxatKa? sv [xsatp eaxiv.« (S.342, Z. 14 f.) Der neueste Darsteller der platonischen Gedanken- welt ist in philosophischen Dingen Anhänger Mills: Theodor Gomperz, Griechische Denker, eine Geschichte der antiken Philosophie, Bd. II, Leipzig 1902, S. 201 ff. In manchen Regionen scheint dieser vielfach hochverdiente Autor selbst gefühlt zu haben, wie ferne er einem Verständnis der inneren Denkmotive des Philosophen ist. Interessanter sind jene Stellen des Buches, wo der Verfasser Plato zu begreifen meint und beloben zu müssen glaubt. Vor dem Geiste der Modernität, welcher die höchsten Synthesen, deren er fähig war, im Lawn-tennis-Spiele vollzogen hat, vermögen nur zwei Stellen des »Staates« vollste Gnade zu finden. (»Wir dürfen es Plato hoch anrechnen, daß er die ,hinkende4 Einseitigkeit des bloßen Sport- und Jagdliebhabers nicht stärker mißbilligt als jene, die sich nur um die Pflege des Geistes und gar nicht um jene des Körpers kümmert .... Nicht minder bezeichnend ist es, daß er auch bei der Auswahl der Herrscher neben den Charaktereigenschaften nach Möglichkeit die Wohlgestalt berücksichtigt wissen will .... Hier ist der asketische Verfasser des Phaedon wieder ganz und gar Hellene geworden.« S. 583.) Dem Dialog über den Staatsmann wird wie als höchste Anerkennung diese, daß »ein Hauch von baconischem, modern induktivem Geiste ihn gestreift« habe (S. 465). Gleichsam als das Ruhmwürdigste im »Phaedon« erscheint die Antizipation der Associationsgesetze (S. 356), und allen Ernstes wird als eine »wunderbare Äußerung Platons« eine Stelle des Sophisten (247, DE) gepriesen, die als eine Vorwegnahme der »modernen Energetik« viel- leicht aus purem Wohlwollen gegen den Denker mißverstanden wird, der mit John Stuart Mill so gar keine Ähnlichkeit hatte (S. 455). Wie es unter solchen Umständen dem Timaeus ergeht, das kann man sich leicht ausmalen. Man sollte übrigens — und diese Be- merkung richtet sich nicht bloß gegen eine unzulängliche Darstellung Platos — es durchaus unterlassen, einen Philosophen oder Künstler deswegen zu loben, weil die Nur-Wissenschaftler nach tausend Jahren einen Gedanken von ihm zu begreifen anfangen. Goethe, Plato und Kant sind zu größeren Dingen auf der Erde erschienen, als empirische Wissenschaft aus ihrer Erfahrung allein je einsehen oder begründen könnte. (S. 342, Z. 13 v. u.) O. Friedländer bemerkt in seinem Aufsatz »Eine für viele« (vgl. zu S. 115, Z. 10 v. u.) S. 180 f. sehr scharf, aber wahr: »Nichts kann den Frauen ferner gelegen sein, als der Kampf gegen die voreheliche Unkeuschheit des Mannes.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b2190425x_0606.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)