Handbuch der Physiologie des Menschen fur Vorlesungen / Johannes Müller.
- Date:
 - 1835-1840
 
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Credit: Handbuch der Physiologie des Menschen fur Vorlesungen / Johannes Müller. Source: Wellcome Collection.
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![die Beine bewegen konnte, die niclits von ihrer Sensibilität ver- loren hatten. Die Bewegung der Arme war gestattet; der intel- lectuelle Zustand war stumpfsinnig. Die Person starb an einer entzündlichen Krankheit. ]Die Fossae occipitales inferiores wa- ren mit Serosität gefüllt. Statt des kleinen Gehirns fand sich nur eine kleine häutige Querbinde über dem verlängerten Marke, die jederseits in eine Haselnuss grosse Anschwellung übex-ging. Der Pons fehlte durchaus, die Oliven waren undeutlich. Man sehe die Abbildung bei Cruveilhier hvr. 15. Vi. Von den Hemisphären des grossen Gehirns. Schon die stufenweise Entwickelung der Hemisphären des grossen Gehirns bis zum Menschen, die Coincidenz der Atrophie und des Mangels der Windungen derselben mit Idiotismus zeigen, dass man in diesem Organsysteme des Gehirns den Sitz der höheren Seelenthätigkeiten suchen muss. Es ist aber auch direct durch Versuche bewiesen, dass dem so ist. Besonders sind Flourens Versuche auch in diesem Punkte sehr lehrreich geworden, und Hertwig's Versuche haben sie im Wesentlichen nur bestätifjen können. Die Hemisphären des grossen Gehirns zeigen beim An- stich und Anschneiden sjglbst keine Empfindlichkeit. Der Ort des Gehirns, wo die Empfindungen zu Vorstellungen gestaltet, die Vorstellungen aufljewahrt werden, um gleichsam als Schatten der Empfindung wieder zu erscheinen, ist selbst nicht empfind- lich. Diese Erfahrung, die auch Hertwig machte, stimmt auch mit Erfahrungen am Menschen bei Kopfverletzungen überein; denn oft genug hat man schon beobachtet, wo man hervorge- quollene Theile des Gehirns von den gesunden ablösen musste, dass diess auch bei einem Subjecte mit klarem Bewusstseyn ohne alle Empfindung geschehen kann. Bei der Verletzung der He- misphären entstehen auch keine Convulsionen, sondern die ein- zige constante Folge jeder tiefern Verletzung der Hemisphä- ren ist Blindheit des Auges der entgegengesetzten Seite, und Stumpfsinn. Dass die oberen Theile der Hemisphären keine Mus- kelzxisammenziehungen bewirken können, hatten schon Haller und Zinn gefunden. Auch die Corpora striata, die Sehhügel be- wirken gereizt nach Flourens keine Zuckungen, und Lorry hatte dasselbe schon von dem Corpus callosum ausgemittelt. Die von Flourens und Hertwig über die Function der Hemi- sphären an verschiedenen Thieren angestellten Versuche, stimmen im Allgemeinen sehr überein. Ich werde das sehr interessante Detail eines Versuches von Flourens an einer Taube mittheilen. Als Flourens der Taube die rechte Hemisphäre weggenommen hatte, war sie auf der entgegengesetzten Seite blind. Gleichwohl dau- erte die Contractilität der Iris auf diesem Auge fort, aus Grün- den, die schon oben p. 830. angegeben worden. In allen Thei- len der entgegengesetzten Seite des Rumpfes zeigte sich eine deutliche Schwäche. Diese Schwäche ist indcss nach BYoukens sowohl in Hinsicht des Grades als der Dauer eine veränderliche Erscheinung. Bei allen Thieren kommen die Kräfte bald wieder](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21907584_0843.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)