Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns : sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes : zum Gebrauche für Mediciner und Pharmaceuten / bearbeitet von C. Neubauer, J. Vogel.
- Neubauer, Carl, 1830-1879.
- Date:
- 1858
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Credit: Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns : sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes : zum Gebrauche für Mediciner und Pharmaceuten / bearbeitet von C. Neubauer, J. Vogel. Source: Wellcome Collection.
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![Urin. Innerhalb 1^2 Tagen verbreitete sich eine ödematöse Anschwellung über den ganzen Körper mit Ausnahme des Gesichts. Als der Kranke einige Tage später in die Giessener Klinik gebracht wurde, waren die Erscheinungen noch die angegebenen, nur hatte sich noch heftiges Erbrechen hinzugesellt. Während der ersten 3 Tage seines dortigen Aufenthaltes bot der Urin folgende Erschei- nungen dar. Seine Menge war etwas unter der Norm (900—1500 ccm.), seine Farbe intensiv blutroth. Unter dem Microscop enthielt er unversehrte Blutkör- perchen in ziemlicher Menge, zahlreiche Eiterkörperchen und sparsame granu- lirte Harncylinder. Er enthielt eine reichliche Menge Eiweiss. Die Reaction war alkalisch, das spez. Gewicht gering (1010—1012], der Harnstotfgehalt weit unter der Norm (8 — 20 Grms.), Chlor bedeutend vermindert (1—3), Phosphor- säure etwas (1,3 — 2,8) und Schwefelsäure (0,5—1,6) beträchtlich vermindert. Der Urin bildete bei längerem Stehen ein schleimiges Sediment, welches durch die Einwirkung seines Ammoniakgehaltes auf die in ihm suspendirten Eiterkör- perchen hervorgebracht wurde. Die Perspirationsgrösse des Kranken (Summe der Hautausdünstung und Lungenexhalation) war weit unter der Norm (460 — 780 Grms. in 24 Stunden), die Körpereinnahmen überwogen die Ausgaben be- deutend , so dass der Kranke in S' Tagen um 10 Pfund an Körpergewicht zu- nahm , was natürlich nur von der immer steigenden wassersüchtigen Anschwel- lung herrührte. Diagnose: Morbus Brightii acutus. Bei der dringenden Ge- fahr , dass sich unter solchen Verhältnissen rasch Urämie ausbilden möchte, wurden die kräftigsten Mittel versucht, um die Nieren- oder Darmexcretion zu steigern — jedoch ohne Erfolg. Alle innerlich gereichten Mittel (Natrum sul- furicum mit Kali aceticum, Gutti mit Natr. carbon., Ol. Crotonis) wurden vom Kranken wieder erbrochen: Ueberschläge von Decoct. Digitalis, über den gan- zen Körper gemacht, blieben ohne Wirkung; Klystiere von Ol. Crotonis in Ol. Lini gelöst, reizten den Mastdarm so heftig, dass von ihrer Anwendung abge- standen werden musste. Die excretorische Thätigkeit der Nieren nahm täglich ab; die Urinmenge fiel von 800 auf 700, 500, 450 ccm. täglich, von einem spez. Gewicht von 1015 — 1010. Die HarnstofFmenge sank immer mehr (6—8 Grm. täglich), fast ebenso sehr sanken Chlor (0,8 — 1), Schwefelsäure (0,4—0,6) und Phosphorsäure (1,3—1,7). Es entwickelten sich Symptome von Urämie (Schwindel, Delirien), die sich immer mehr steigerten (Coraa vigil, Sopor), und der Kranke erlag, kaum 3 Wochen nach dem Anfang seiner Krankheit. Die Section ergab Bright'sche Veränderung der Nieren im 2. Stadium. 10. Ein Mann von 52 Jahren, von kräftiger Körperconstitution, erkrankte ganz wie der vorige an akutem Morbus Brightii. Unter heftigen Fiebersymp- tomen erfolgte sehr rasch eine bedeutende ödematöse Anschwellung des gesamm- ten Körpers; der blutigrothe Urin war reich an Eiweiss und zeigte unter dem Microscop neben zahlreichen Blut- und Eiterkörperchen Spuren von Nierenschläu- chen. Aber es gelang bei diesem Kranken durch kräftige Diuretica (Pillen von Gutti und Natron carbon., namentlich aber durch Ueberschläge von Digitalis- decoct, welche im grössten Maasstabe auf die ganze untere Körperhälfte appli- cirt wurden), eine reichliche Urinsecretion hervorzurufen. Der Urin (vom 25. Oct. bis 1. Nov.) bot folgende Erscheinungen dar: Menge sehr vermehrt (4800 — 6800 ccm.), Farbe roth (blutig), Reaction neutral oder alkalisch; spez. Gewicht gering (1003— 1005), Harnstoff sehr vermehrt (zwischen 45 und 97 Grms. täg- lich) , auch das Chlor (20 — 3^ Grms.) , die Schwefelsäure (4,1 — 4,7) und na- mentlich die Phosphorsäure (11 — 18 Grms.) sehr vermehrt. Unter dieser ver- mehrten Urinsecretion verlor sich die hydropische Anschwellung vollkommen, die bereits angedeuteten Symptome von Urämie (ünbesinnlichkeit, Soinnolenz)](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21069074_0376.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)