Die Philosophie des Islam in ihren Beziehungen zu den philosophischen Weltanschauungen des westlichen Orients / von Max Horten ; mit einer Darstellung von Muhammeds Himmelfahrt nach einer Miniatur des 15. Jahrhunderts.
- Max Horten
- Date:
- 1924
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Credit: Die Philosophie des Islam in ihren Beziehungen zu den philosophischen Weltanschauungen des westlichen Orients / von Max Horten ; mit einer Darstellung von Muhammeds Himmelfahrt nach einer Miniatur des 15. Jahrhunderts. Source: Wellcome Collection.
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![deutung. Nach dieser Seite muß ihre Würdigung als Gipfelphänomen einer Hochkullur erfolgen. Freilich hat sie die großen Bereiclie des menschlichen Lebenssystems, Natur und Uebernatur, nicht harmonisch zur Deckung gebraclit. Darin stellt sie hinter der Philosophie, die diese Aufgabe klassisch löste, zurück. Die Mystik hat im Islam kulturfeindliche Lebensformen aufgcstellt und durcli ihre oft ungesunde Weltflucht die Zerrissenheit des Lebens¬ systems noch gesteigert. Ethischer Schwung und religiöse Tiefe sichern ihr aber im Vergleich zum Gesetzesislam (der Verfallsform der Religion des Propheten) eine günstige Beurteilung. 233. Die Darstellung der literarischen Weltanschauung (eine ideenge¬ schichtliche Literaturgeschichte in vertiefter Betrachtungsweise) ist ebenso wie die Geistesgeschichte des Orientes im allgemeinen ein noch unbetretenes Neuland für unsere Orientalistik, stellt jedoch eine leichter vollendbare Aufgabe dar als die Darstellung der eigentlichen Facliphilosophien, die eine tiefere Allgemeinbildung ideologischer Art zur Voraussetzung hat. Man hätte zunächst die allgemeinsten Linien zu zeichnen, dann die Literaturarten (,,Sinngedichte“, Lehrgedichte, vieles aus der Prophetenüberlieferung, Maqamen) bis hinab zu Einzel¬ typen. In dem allgemeinen Teile gibt es Themen von höchstem philosophischen Werte, z. B. typische Motive: die Schicksals¬ idee, das Fladern mit dem Schicksal, Harmonie und Disharmonie in der Welt, Weltgesetze, Gott — Welt — Mensch in ihrem Verhältnisse zueinander, besonders aber der große Komplex des Ethischen und Strebens nach Glück. Die einzelnen Arten müßten nach ihrem seelischen Gehalte bestimmt und auf den Rassentypus zurückgeführt werden. Solche psychologischen Strukturstudien ergeben sich sogar schon aus der äußeren literarischen Form. Aus Mangel an Raum mußte all dies beiseite gestellt werden. Bedeutsam für die Weltanschauung ist die Adab-Literatur (seit ibn Qutaiba [889 t]), tlie eine ,,Vollerziehung“ in kompendienhafter Weise (Enzyklopädie) geben wollen. Dieser Gedanke setzt das orien¬ talische Ideal der Vollpersönlichkeit voraus, die ihre Anlagen allseitig entwickelt hat, und so zeigt diese Literatur, welches die Gesamtvorstel¬ lung des Lebens, des Bildungsideals, der Ethik und der Welt ist. In den Vordergrund drängt sich das äußere Leben im Inhalte dieser Literatur (Staat, Fürst, die \'ornehmen, Wczire, Minister, Krieg). Darauf folgt die Ebene der Ethik, die in erster Linie Fürstenethik ist (die guten und schlechten Eigenschaften der Regierenden, Frömmigkeit, Geduld — eine spezifisch orientalische Tugend —, Freundschaft, Feindschaft, Gastfreundschaft, Nächstenliebe, Gerechtigkeit), dann aber naturgemäß zur Individualethik wird (Umgang mit Frauen, Freunden, Sklaven) und in den Sorgen des materiellen Lebens endet, nicht ohne sich daneben zur höchsten Bildung aul'zuschwingen (Wissenschaft, unter der eine halbjjopuläre Philosophie verstanden wird, Beredtsainkcit, schöne Literatur, Schönheit des Arabischen, Erzählungen), ln dieser Synthese liegt eine eigenartige Weltanschauung beschlossen, die mit denen der Kosmographen und späteren Enzyklopädisten (seit 1500) — sie bringen mehr Geschichte und Naturwissenschaften — zu vergleichen wäre. Wichtig für die Entfaltung von ,,Philosophie“ im Sinne der Welt¬ anschauung literarischer Oberschichten ist die M a q a m e n 1 i t e r a- t u r. Ja in ihr finden sich, abgesehen von Zügen feinster Literatur, Begriffe, die in die höchste Gedankenkultur zu rechnen sind. Die 36j](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29827942_0372.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)