Wilhelm Griesinger : Biographische Skizze. Mit einem Facsimile / [Carl Reinhold August Wunderlich].

  • Carl Reinhold August Wunderlich
Date:
1869
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Credit: Wilhelm Griesinger : Biographische Skizze. Mit einem Facsimile / [Carl Reinhold August Wunderlich]. Source: Wellcome Collection.

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    Aber weder das medicinische Wissen noch die Lehraufgabe füllten ihn aus. Obwohl er jenes als die beste Grundlage für die Beurtheilung aller menschlichen Dinge ansah , so waren ihm diese anderen menschlichen Dinge doch das Höhere und Wichtigere. Kunst , Politik, die letzten Fragen der Philosophie und Religion beschäftigten ihn aufs lebhafteste. Zu ihrer spe- ciellsten Bearbeitung bereitete er sich vor und die reizendste Perspective für ihn war, einstens an irgend einem schönen Punkte der Schweiz in unabhängiger Lage sich niederzulassen und dort seine Meditationen über die höchsten Interessen der Menschheit für die Oeffentlichkeit auszuarbeiten. Welche Ge¬ danken er in diesen Angelegenheiten hatte, damit hielt er zu¬ rück und Hess nur da und dort durchblicken, dass sie von den geläufigen Vorstellungen weit entfernt lagen. Das öffentliche Auftreten Griesinger’s enthüllt nur einen Theil seiner Eigenthümlichkeit. Wie viele seiner schwäbischen Landsleute war er gewandter mit der Feder, als mit dem ge¬ sprochenen Worte. Eigentliche Beredsamkeit ging ihm ab. Man könnte sagen, das öffentliche Reden war ihm — zumal früher — etwas Frcmid- artio-es. Unnatürliches ; damals änderte sich.bei jedem öffentlichen Vortrage die Höhe und der Klang seiner Stimme zum kaum Wiedererkennen. Die wichtigeren seiner Vorträge hat er sorg- fältigst ausgearbeitet. Wo er improvisirte, war er schlicht und einfach, aber immer klar und bei der Sache bleibend. Weit mehr zeigten seine schriftlichen Productionen das Charakteristische seiner Geistesverfassung. Jeder seiner Briefe war voll von sinnigen und schlagenden Bemerkungen und dabei in einer leichten, einfachen, graziösen Form geschrieben Der kleinste flüchtig hingeworfene Zettel enthielt irgend eine reizende Wendung, einen überraschenden und treffenden Einfall. Was er publicirte, war — abgesehen vom Inhalt — in der Form vollendet, der Styl allezeit dem Gegenstand entsprech('nd, niemals ermüdend, immer anregend, bald einfach, ruhig, edel und klar, bald elegant und geistreich, bald hinreissend durch einzelne packende Dicta. Nirgends wurde man durch leere Phrasen gestört, nirgends der gute Geschmack durch blumen¬ reiche Aufstutzung verletzt. Wo ein Bild gebraucht wurde, war es stets ein solches, welches mit einem Schlage den Gedanken anschaulich machte. Man hat nicht mit Unrecht gesagt, dass etwas Goethe’sches in Griesinger’s Darstellung war. Oft führte ihn seine Betheiligung an Principienfragen zu kritischen Auslassungen. Seine Polemik war in der Regel 3*